Donner: Die Chroniken von Hara 3
Aber gut, du machst deiner Lehrerin wirklich alle Ehre. Eigentlich schade, dass sie dein wahres Gesicht nicht kannte.«
»Das hat niemand gekannt«, tröstete Mithipha sie. »Weder du noch Rowan. Alenari ist da die einzige Ausnahme gewesen.«
»Dann hast du mich also angelogen, als du behauptet hast, du könntest nicht mit ihr in Verbindung treten. Ich hätte dich wirklich umbringen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte.«
»Aber diese Gelegenheit hast du nicht genutzt … Du kannst es natürlich jederzeit nachholen. Falls du so mutig sein solltest, mich aufzusuchen. Du findest mich bei den Katuger Bergen. Ich folge Rowan und bleibe in der Nähe von Ley. Und glaub mir, ich würde dich mit Freuden ins Reich der Tiefe schicken.«
»Du hast eine zu hohe Meinung von dir selbst. Wie merkwürdig, dass dich die Ausbildung im Regenbogental nicht davon kuriert hat.«
»Ich darf dir versichern, dass ich meinen Wert genau kenne – und deinen auch. Versuch also gar nicht erst, mir etwas vorzumachen. Um dein Potential ist es zurzeit miserabel bestellt.«
»Selbst wenn, würde mich das nicht veranlassen, die Rolle der Närrin zu spielen«, spie Thia voller Hass aus. »Im Gegensatz zu dir. Deshalb warte also besser nicht auf mich.«
Zumindest so lange nicht, wie mein Funken nicht wieder in alter Weise leuchtet, ergänzte sie in Gedanken.
»Früher oder später kommst du«, entgegnete Mithipha kalt. »Da bin ich mir ganz sicher. Dazu bist du viel zu unbeherrscht. Und wenn ich dir erst einmal die Geschichte erzählt habe, wie …«
»Ich habe nicht die Absicht, meine Zeit damit zu vergeuden, mir dein Geplapper anzuhören!«
»Dieses
Geplapper
betrifft Rethar!«, zischte Mithipha und brachte Thia allein dadurch zum Zittern, dass sie diesen Namen nannte. »Du weißt, warum ich Scharlach heiße?«
»Selbstverständlich!«, spie sie aus. »Weil du alle Kinder …«
»Ach ja, die lieben kleinen Kinderchen«, höhnte sie, und mit jeder Silbe verhärtete sich der stählerne Glanz in ihren Augen. »All die braven Schüler und Schülerinnen aus der ersten Klasse. Wir brauchten damals die Bücher aus dem Regenbogental. Wer hätte denn ahnen können, dass die Kinder nicht fortgebracht worden waren? Warum haben diese einfältigen, diese närrischen Schreitenden nicht für ihre Sicherheit gesorgt?« Ihr Gesicht verzerrte sich. »Rethar hat mich auf diesem kleinen Ausflug begleitet. Und er ist es auch gewesen, der mich gezwungen hat, die Kinder zu töten. Alle! Bis auf das letzte!«
»Du lügst!«, schrie Thia, die nun doch die Beherrschung verlor. »Er hätte niemals …«
»… niemals jemanden zu einem Mord überredet?«, fragte sie giftig. »Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber bist du nicht eigentlich strikt dagegen gewesen, Soritha zu töten? Noch am Tag des Aufstands hast du bis zur letzten Sekunde geschwankt, auf wessen Seite du dich stellen solltest. Aber als dann Rethar auf der Bildfläche erschienen ist, da gab es für dich kein Zaudern und kein Zögern mehr, da hast du die Mutter getötet, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Woher nimmst du also die Frechheit zu behaupten, er habe andere nicht zu einem Mord bringen können?« Ihre Stimme sank zu einem pfeifenden Flüstern herab. »Die Schreie der Kinder gellen mir heute noch in den Ohren. Und all das Blut! Du malst dir nicht aus, wie viel Blut damals geflossen ist. Noch immer träume ich davon – ganz zu schweigen von dem Geruch dieses Blutes, der mich bis heute verfolgt.«
Erschaudernd dachte Thia an jenen Albtraum, der sie vorhin selbst heimgesucht hatte.
»Ich hasse mich dafür, dass ich Rethars Befehl gehorcht habe«, fuhr Mithipha fort. »Und ich hasse ihn dafür, dass er mir diesen Befehl erteilt hat. Aber dieser Kerl hat zugesehen, wie ein Kind nach dem anderen gestorben ist.
Feixend
zugesehen. Glaub mir, er ist keinen Deut besser als sein Bruder!«
»Er wird seinen Grund gehabt haben, warum er dich gehasst hat.«
»Spielst du damit auf die Tatsache an, dass er es mir verdankt, dich kennengelernt zu haben?«, giftete Mithipha zurück. »Im Regenbogental stand ich vor der Wahl, ihm den Befehl zu verweigern oder mir den
Zorn
seiner kleinen eitlen Seele zuzuziehen. Aber ich habe für diesen Tag Rache genommen. Für jedes Kind, über das er seine Witze gerissen hat! Sogar für jenes Blut, das heute noch in meinen Albträumen fließt. Möchtest du gern wissen, wie meine Rache ausgesehen hat? Ich habe euch beide nach Alsgara gelockt – nachdem ich
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