Donner unter der Kimm
echt. Nennen Sie es Schicksal, den Willen Gottes, meinetwegen auch Glück, aber es existiert wirklich, ist keine Einbildung. Manche mögen sagen, daß sich alles gegen uns verschworen hat…« Er drückte fester zu, als sie zu einer Entgegnung ansetzte. »Nein, es muß heraus. Ich bin so viel älter als Sie, ein Offizier des Königs und diesem Schiff verpflichtet, bis der verdammte Krieg gewonnen ist.« Er hob ihre Hand an die Lippen. »Lach mich nicht aus, sondern hör mir zu. Ich liebe dich, Zenoria.«
Er machte Anstalten, sich zu erheben, aber sie schlang ihm die Arme um den Hals und flüsterte: »Schau mich jetzt nicht an.« Ihre Lippen an seinem Ohr, fuhr sie fort: »Ich kann es nicht glauben. Vielleicht träume ich nur. Oder wir sind beide verhext.«
Er löste sich sanft von ihr und schaute ihr ins Gesicht, sah die hellen Tränenspuren auf ihren Wangen. Sie immer noch fest mit den Armen umschließend, küßte er sie auf beide Wangen, schmeckte das Salz und empfand die ganze Intensität dieses kurzen, unmöglichen Glücks.
»Sag nichts. Versuch jetzt weiterzuschlafen.« Er trat zurück, hielt nur noch ihre Hände fest. »Es ist kein Traum, und was ich gesagt habe, war mein voller Ernst.« Ihm kam eine Idee. »Du kannst später mit mir frühstücken. Ich lasse dich von Ozzard abholen.« Er sprach hastig, damit sie nicht ablehnte.
Als er sich von ihr losriß, blieben ihre Arme noch eine Weile in der Luft hängen, als hielte sie sich weiter an ihm fest. Draußen vor der Tür standen jetzt zwei Wachtposten. Der Korporal, der zur Ablösung kam, zischte seinem Kameraden einen scharfen Befehl zu. Keen nickte freundlich und sagte: »Guten Morgen, Korporal Wenmouth. Den Sturm hätten wir überstanden, was?«
Er schritt nach achtern, ohne ihre verdutzten Gesichter zu bemerken. In der Achterkajüte trat er an die Heckfenster und starrte ins aufgewühlte Kielwasser. »Ich liebe dich, Zenoria«, murmelte er.
Dann erkannte er jäh, daß Ozzard ihn von der anderen Tür her mit über der Schürze gefalteten Pfötchen beobachtete.
»Frühstück, Sir?« fragte der Steward höflich.
Keen lächelte. »Vorerst noch nicht. Ich erwarte in einer Stunde, äh, Gesellschaft.«
»Sehr wohl, Sir.« Ozzard wandte sich zum Gehen. »Ich verstehe, Sir.«
Das hätte Keen noch bis vor kurzem geärgert, aber jetzt war es ihm gleichgültig.
»Alles zu Ihrer Zufriedenheit, Miss?« Ozzard stand am Tisch und griff nach einem Teller, der der Tischkante bedenklich nahe gekommen war.
Zenoria drehte sich um und schaute zu ihm auf.
»Es war köstlich.«
Keen betrachtete ihr Profil, als sie mit Ozzard sprach. Sie trug nun das Haar lose auf die Schultern fallend und sah wunderschön aus; das konnten selbst die Männerkleider nicht verbergen.
Sie merkte, daß er sie beobachtete. »Was ist?«
Er lächelte. »Nichts, nur – ich könnte Sie den ganzen Tag ansehen und fände jede Minute etwas Neues zu bewundern.«
Sie schaute auf ihren leeren Teller. »Nicht doch, Sir.« Doch sie war errötet und schien sich über das Kompliment zu freuen. »Erzählen Sie mir von Sir Richard«, sagte sie.
»Kennen Sie ihn schon lange?«
Keen lauschte dieser Frauenstimme, die in seiner Männerwelt so fremd und kostbar klang.
»Ich habe mehrere Male unter ihm gedient und war bei ihm, als er fast am Fieber starb.«
Sie studierte sein Gesicht, als wolle sie es sich einprägen.
»Starb damals die Frau, die Sie liebten?«
»Ja.«
Sie nickte Ozzard, der den Teller abräumte, zu. »Sie haben so viel erlebt«, seufzte sie. »Warum müssen Sie so leben?«
Keen schaute sich in der Kajüte um. »Ich kenne es nicht anders. Das ist mein Beruf.«
»Und die Heimat vermissen Sie nie?« Ihr Blick war jetzt wieder verschleiert.
»Manchmal. Wenn ich an Land bin, vermisse ich mein Schiff. Und auf See sehne ich mich nach Feldern und grünen Bäumen. Meine beiden Brüder haben Höfe in Hampshire. Hin und wieder beneide ich sie.« Er zögerte; darüber hatte er noch mit niemandem gesprochen.
»Keine Sorge«, meinte sie. »Ihre Worte sind bei mir gut aufgehoben.«
Oben stampften Füße über die nassen Planken. Am Skylight lachte ein Mann und wurde von einem anderen barsch zurechtgewiesen.
»Sie lieben dieses Schiff, nicht wahr?« sagte sie. »Ihre Männer folgen Ihnen, wohin Sie sie auch führen.«
Er langte über den Tisch, an dem er mit den anderen Kapitänen gesessen hatte. »Geben Sie mir Ihre Hand.«
Sie streckte sie aus; der Tisch war so breit, daß sie einander
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