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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Dänemark ausgesucht.«
    »Und ich
hätte diesen alten Scheißkram schon lange wegsprengen lassen, so was verschandelt
den ganzen Badestrand«, sagt Silvia aufgebracht.
    »Das braucht
viel zu viel Sprengstoff, die Franzosen mussten mit ihrem Erbe an der Atlantikküste
auch passen. Manchmal denke ich, der Atlantikwall ist fast vergleichbar mit der
chinesischen Mauer. Über 2.500 Kilometer, von Frankreich bis Norwegen, ziehen sich
diese Bunkeranlagen hin. In Dänemark waren es die größten Bauvorhaben, die jemals
in diesem Land realisiert wurden. Zum Glück werden die Überreste eines Tages im
Meer verschwunden sein.«
     
    »Wie kann das in Deutschland geleugnet
werden? Hier kann es doch jeder selbst sehen!« Die Worte sind anklagend, kommen
aus der Erinnerung. Jan Swensen und Anna Diete reisen durch Polen, 1994, 4 Jahre
nach dem Fall der Mauer. Zwei Wochen im VW-Bus kreuz und quer durchs Land, und am
Ende des Urlaubs ein Besuch im KZ-Majdanek. Bilder aus dem Nebel, die aus einem
Gefühl von Schuld aufsteigen, schleierig über das Lagergelände treiben, die Wachtürme
im Dunst, schwarze Vögel auf den Stacheldrahtzäunen. Swensen sieht, wie er in eine
der Baracken tritt, im schummrigen Lampenlicht auf einem schmalen, hölzernen Steg
durch den Raum geht. Um ihn herum sind zu beiden Seiten Schuhe gestapelt, hinter
langen Gitterverschlägen, übermannshoch, Tausende von Schuhen. Eine zierliche weiße
Damensandalette fällt ihm ins Auge. Der Verstand streikt, er weiß Bescheid und hat
doch keine Ahnung. Es ergibt kein Bild, kein wirkliches Bild. Der Schuh ist real,
bleibt aber grauenvoll anonym. An einer Barackenwand sind Dosen aufgeschichtet,
grüngraues Blech mit zerfranster Papierbanderole: Giftgas, Totenkopf, Zyklon-B.
    »Sind Sie
Deutscher?«, spricht ein älterer Mann Swensen auf Deutsch an, während der verschämt
seine Tränen mit dem Handrücken wegwischt. Ohne Zweifel, der Mann ist Jude. Auf
dem Rundgang treffen Anna und er immer wieder auf ihn. Unmerklich sucht er ihre
Nähe. Gemeinsam betreten sie einen Barackenraum mit mehrstöckigen Schlafpritschen.
Er steht eine Zeitlang wie versteinert da. Swensen stockt fast der Atem. Plötzlich
wendet der Mann sich an ihn, schaut ihn mit fragenden Augen an und seine Stimme
klingt, als würde er wirklich verstehen wollen: »Meine Eltern sind hier umgekommen.
Wie kann das in Deutschland nur geleugnet werden? Hier kann es doch jeder sehen!«
    Der üble
Geruch ist zurückgekehrt. Er steigt in Swensens Nase und bringt ihn zurück nach
Dänemark. Der Polizeiwagen biegt hinter der Fischfabrik auf einen Feldweg. Ove Toksvig
hält auf die Windräder zu und stoppt neben einer Art Schiffsfriedhof. Zwischen altem
Gerümpel und Fischkisten liegen mehrere verrottete Fischerboote zur Seite geneigt
auf einem Kiesplatz. Auf der anderen Seite ist das offene Meer, rechts ragt die
Mole in die Vigsøbucht. Mehrere bunte Windsegel kreuzen durch die aufgewühlte See.
Der Däne grinst, als er den naserümpfenden Hauptkommissar auf der Rückbank sieht.
    »Die Fabrik
verklappt gerade Abwasser, stinkt ziemlich penetrant«, stellt er fest und deutet
zu den weißen Gebäuden hinüber.
    »Bevor wir
weitermachen …, ich würde gerne wissen, was in dem Brief steht!«, sagt Swensen.
»Kannst du den bitte kurz übersetzen?«
    Der Däne
nickt, und der Hauptkommissar reicht ihm die Kopie des Auktionators hin. Der nimmt
das Papier, liest den Text durch und beginnt dann langsam und stockend in Deutsch
vorzulesen:
     
     
    Westliches Gefängnis       Malthe
Stræde,
    Deutsche Abt., Zelle
371                        geb. 23. September 1922
    den 16. Januar
1945
     
    Meine kleine Aase!
    Man hat mich vor
Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Die Deutschen haben es erlaubt, einen
Abschiedsbrief zu schreiben. Du bist jetzt gerade erst 16 Jahre alt und ich möchte
dir noch ein paar Worte sagen, kleine Schwester. Aber was kann ich mit Aussicht
auf meinen Tod noch Wichtiges schreiben? Wie soll ich meinen Abgesang gestalten?
    Mir bleibt nur
kurze Zeit – meine Gedanken überschlagen sich, so viele sind es. Früher habe ich
immer gedacht, meine letzten Worte müssten etwas ganz Bedeutendes sein. Doch jetzt
fehlen mir die Worte dir zu schreiben, was ich dir wünsche. Gräme dich nicht zu
sehr und verliere dein Lachen nicht! Lebe, lebe weiter, vielleicht auch ein Stück
für mich mit.
    Wahrscheinlich
fühlst du in diesem Moment einen großen Schmerz in deinem Herzen, aber, liebe

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