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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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nie.
    Ich wollte
dich, aber du wolltest mich nie.
    So bleibt
mir nichts übrig, als dir zu sagen:
    Goodbye,
goodbye.
    Vater, du
hast mich verlassen, aber ich verließ dich nie.
    Ich brauchte
dich, aber du brauchtest mich nie.
    So bleibt
mir nichts übrig, als dir zu sagen:
    Goodbye,
goodbye.
     
    Auf dem Dach des alten Reethauses,
an dem die Journalistin vorbei kommt, ist eine Satellitenschüssel montiert. Das
Storchennest daneben ist verwaist. Sie kann sich nicht erinnern, ob ein Storchenpärchen
es in den letzten Jahren in Besitz genommen hat. Im breiten Graben vor dem Grundstück
spiegeln sich die Erlen auf der Wasseroberfläche. Misstraue der Idylle, die Worte
sind ihr zurzeit ständig auf den Fersen. Sie kann sie nicht aus dem Gedächtnis verbannen.
Maria Teske erreicht die A5, hört in der Ferne Glockengeläut, das unheilvoll neben
ihrem Auto durch die Eiderniederung treibt.
    »Bim bam
bum, Dode, Dode, kumm!« Die Totenglocke ruft, denkt die Journalistin verstört, und
ihr Fuß drückt aufs Gaspedal. Sie möchte weg von hier und außerdem rechtzeitig in
der Redaktion ankommen.
     
    »Pünktlichkeit war ein unumstößlicher
Wert in meinem Elternhaus. Warum, das habe ich nie begriffen. Das war einfach etwas
Selbstverständliches. Eine Erklärung dafür hat mir meine Mutter nie gegeben«, hört
sie sich sagen. Sie sitzt in einem Sessel gegenüber von ihrer Therapeutin, sieht
das kleine Mädchen Maria am Esstisch sitzen, mit der Gabel im Spinat stochern, die
Mutter lauernd im Nacken. »Du bleibst solange sitzen, bis der Teller leer ist!«
     
    »Was ist nur mit dir los?«, fragt
sie sich. »Du hast diese Therapie angefangen, weil man dich beinahe ermordet hätte.
Und jetzt? Jetzt hockst du mittlerweile hier, um über deine Mutter zu reden, eine
Frau, die du nicht einmal richtig kennst.«
    Die Journalistin
beobachtet Anna Diete heimlich aus dem Augenwinkel. Die Therapeutin sitzt ihr wie
gewohnt schweigend gegenüber, wartet anscheinend darauf, dass sie endlich etwas
sagt. Doch ihr fällt nichts ein, es gibt keine Idee, womit sie beginnen könnte.
    »Wir hatten
früher doch immer so schöne Gespräche«, meldet sich die Stimme der Mutter.
    »Welche
schönen Gespräche meinst du, Mama? Wovon handelten unsere Gespräche? Von den lieben
Nachbarn, die mich nicht im geringsten interessierten, was sie mal wieder gemacht
oder nicht gemacht haben, und natürlich von solchen wichtigen Dingen wie dem Wetter
und dem Essen, wie konnte ich das Essen nur vergessen?«
    »Du weißt
nicht, was richtiger Hunger ist, mein Kind! Deine Großmutter hat noch auf dem Feld
Kartoffeln geklaut, damit ich etwas zu essen hatte.«
    »Daran kannst
du dich erinnern?«
    »Nein, das
nicht. Aber sie hat es mir vorgehalten, später mal.«
    »Und von
Onkel Ludwig, hat sie dir auch von dem erzählt?«
    »Was sollte
sie mir von dem erzählt haben?«
    »Dass die
Nazis von ihm verlangt haben, dass er sich sterilisieren lässt, wenn er deine Tante
heiraten will, zum Beispiel!«
    »Über Onkel
Ludwig hat meine Mutter nicht gesprochen.«
    »Und wieso
hat deine Familie nie ein Wort darüber verloren, dass es diesen Onkel Ludwig gegeben
hat? Und dass dieser Onkel eine Tochter hatte, die Traudl hieß und nur neun Jahre
alt geworden ist?«
    »Unsere
Familie hat einen Grundsatz, den hat meine Mutter mir schon als Kind eingebläut,
wenn ich, ihrer Meinung nach, zu neugierig war: Besser zweimal geschwiegen als einmal
das Maul verbrannt.«
     
    »Du hast in der letzten Stunde davon
gesprochen, dass deine Mutter und du sich bis heute fremd geblieben sind«, unterbricht
Anna Diete das Schweigen.
    »Sie ist
mir fremd, weil ich nichts von ihr weiß. Aber ich muss ihr genauso fremd geblieben
sein, denn sie hat nie wirklich Fragen gestellt. Eine Frau hat es gefälligst hinzunehmen,
anonym zu bleiben, sich aufzuopfern, keine eigene Persönlichkeit zu haben. Ich bin
davon überzeugt, dass meine Mutter, mein Vater natürlich auch, dass sie einfach
nur ängstliche Menschen sind, die sich vor allem Neuen fürchten. Deshalb haben sie
zu meinem Leben geschwiegen. Und das ist heute noch genauso!«
    »Welche
Fragen hätten sie dir denn stellen sollen?«
    »Ich habe
dir beim letzten Mal von diesem Familiengeheimnis berichtet, dass der Onkel meiner
Mutter von der Familie totgeschwiegen wurde. Doch selbst jetzt, nachdem das Geheimnis
gelüftet ist, wird in der Familie weiterhin darüber geschwiegen, genauso wie vorher.
In der letzten Woche habe ich einen Artikel für die Zeitung über

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