Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
kann
ich nicht, Frau Sjøqvist, jedenfalls jetzt noch nicht. Können Sie bestätigen, dass
ihre Mutter während der Besatzungszeit der Nationalsozialisten in Hanstholm gelebt
hat?«
»Sie meinen
die Besatzungszeit der Deutschen!«, verbessert Sandi Sjøqvist und lächelt grimmig.
»Die Nationalsozialisten waren Deutsche, und Deutsche haben unser Land überfallen
und gemacht, was sie wollen. Meine Mutter wurde als kleine Mädchen von den Deutschen
aus ihrem Haus in Hanstedt gejagt, zusammen mit meinen Großeltern, und musste hausen
in eine Baracke.«
»Dann ist
Ihre Mutter nicht aus Hanstholm?«, fragt Swensen enttäuscht.
»Hanstholm
hieß damals noch Hanstedt, der Ort wurde in den 60er Jahren umbenannt«, erklärt
Ove Toksvig knapp.
»Wissen
Sie, was damals passiert ist? Hat Ihre Mutter es Ihnen erzählt?«
»Nein, sie
wollte nicht sprechen. Aber als junge Mädchen meine Mutter hat mir geschenkt ein
Roman, ›Der Mond ging unter‹ von John Steinbeck. Da steht alles drin, was ist in
Dänemark passiert, hat sie gesagt, was für furchtbare Menschen die Deutschen sind.
Vergiss das nie, sie hat gesagt. Danach ich habe informiert mich selbst, über die
Besatzungszeit und die Deutschen. Deutschland hat mit Absicht gedemütigt Dänemark,
das ist meine Meinung, und wie mit meinem Volk umgegangen wurde, ist gewesen menschenverachtend.«
Swensen
hat wieder dasselbe Unbehagen, das er in Gegenwart des Juden im KZ empfunden hat.
Die Worte, die er entgegnen will, sitzen verkantet im trockenen Hals fest. Er hustet
und schluckt mühsam den Speichel hinunter.
»Ich … es
gibt … es ist nichts zu beschönigen. Die Nazi-Zeit war eine Zeit, die unendliches
Leid über die Menschen gebracht hat.«
»Ja, und
dieses Leid ist gekommen von die Deutschen.«
»Ich wurde
noch von keinem Ausländer aufgefordert, mich zu entschuldigen, ein Deutscher zu
sein, Frau Sjøqvist. Möchten Sie, dass ich dies tue?«
Swensen
blickt zu Boden, wartet auf ihre Antwort. Doch die bleibt aus. Er hebt den Kopf
und ihre Blicke bohren sich ineinander.
»Auch wenn
Ihnen das unangenehm ist, ich möchte Sie bitten, über die nächste Frage gründlich
nachzudenken«, sagt der Hauptkommissar bestimmt und setzt eine Pause. »Hat Ihre
Mutter jemals den Namen Kreuzhausen erwähnt, Heinrich Kreuzhausen? Das ist der Name
eines deutschen Offiziers, der während der Besatzungszeit auf der Kanonenfestung
stationiert war.«
»Sie meinen
den Großvater von Herrn Eschenberg? Der heißt Kreuzhausen, das hat mir meine Tochter
auf der Beerdigung erzählt. Sie hat ihn mir gezeigt, in Husum, und auch die Mutter
von Herrn Eschenberg.«
»Und Ihre
Mutter? Hat sie den Namen Kreuzhausen vielleicht früher einmal genannt?«
»Nein, ganz
bestimmt nicht. Das hätte ich erinnert.«
»Und Ihr
Vater? Der auch nicht?«
»Mein Vater?
Das ist eine alte, gebrechliche Mann gewesen, solange ich erinnere mich an ihn.
Er war beinah 30 Jahre älter als meine Mutter. Ich war noch ein junges Mädchen,
da ist er schon gestorben.«
»Und den
Namen Kreuzhausen hat er auch nie genannt?«
»Nein, aber
ich hatte sowieso kein gutes Verhältnis zu ihm, er hat kaum gesprochen mit mir.«
»Gibt es
noch etwas aus der Zeit, hat Ihre Mutter etwas aufbewahrt, Geschriebenes vielleicht
oder Fotos?«, fragt der Hauptkommissar und bemerkt das Unbehagen im Gesicht der
Frau. Sie schließt ihre Augen, scheint einen Moment völlig abwesend, als würde sie
innerlich mit sich ringen. Dann öffnet sie die Augen wieder und blickt an Swensen
vorbei an die Wand.
»Ich weiß
nicht, warum ich es Ihnen sage, aber es gab etwas, eine alte Dose. Die stand jahrelang
im Wohnzimmerschrank meiner Mutter. Da waren Fotos drin, alte Fotos aus dem Barackenlager,
in dem sie zu der Zeit gewohnt hat. Nach ihrem schrecklichen Tod wollte ich den
Kram nicht mehr haben.«
»Wir wissen,
dass sich Ihre Mutter umgebracht hat. Das tut mir sehr Leid, Frau Sjøqvist.«
»Es war
schrecklich, so unbeschreiblich schrecklich! Ich habe sie gefunden, meine Mutter,
vor vier Jahren, mit eine Strick im Schuppen erhängt, als wäre sie hingerichtet
worden. Was für ein furchtbares Ende!«
»Können
Sie sich erklären, warum Sie es getan hat?«
»Nein, nicht
so richtig«, sagt die Frau nachdenklich. »Meiner Mutter ist es nie wirklich gut
gegangen, die ganze Leben, sie war keine fröhliche Mensch. Aber im Alter ist sie
geworden richtig melancholisch, fast trübsinnig, hat keine Freude mehr empfunden.
Für mich ist die Besatzungszeit daran
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