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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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Duschen und Münzwaschmaschinen. Das Diamantina Roadhouse beheimatete außerdem noch besagtes Kamel-Museum, auf das ein ausgestopftes Exemplar neben der Theke hinwies. Siebeneisen benötigte einige Minuten, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen; die ersten zehn oder zwanzig Sekunden hielt er das Kamel für eine Werbefigur des nahen Simpson Desert Dinosaur Adventure Parks, den der Mann an der Rezeption ihm bestimmt als Nächstes empfohlen hätte. Es war aber eindeutig ein ausgestopftes Kamel. Ein ziemlich großes Kamel. Mit ziemlich großen Glasaugen, die Siebeneisen zu fixieren schienen. Er beschloss, das Tier zu ignorieren.
    Bei den kartoffelkellerähnlichen Lichtverhältnissen fiel das nicht weiter schwer. Um das Diamantina Roadhouse gegen die Sonne abzuschotten, hatte sein Besitzer große Pappkartons vor die Fenster geklebt. Auf die Innentemperatur schien das keine Auswirkungen zu haben, genauso wenig, wie die moskitonetzbespannte zweite Eingangstür die Fliegen fernzuhalten schien. Die Insekten hingen in seltsam trägen Klumpen wie Mobiles in der Luft; trotzdem schafften es einige augenblicklich, sich auf Siebeneisens Brille niederzulassen und dort hocken zu bleiben. Direkt über den Fliegenmobiles baumelten BH s von der Decke, die meisten mit verblichenen Lippenstiftabdrücken verziert. Und noch eine Etage höher hatte wer auch immer Geldscheine an die Decke geklebt. Keine australischen, sondern US -Dollar, Yen, Rubel und D-Mark. Siebeneisen fragte sich, ob wohl ein Zusammenhang zwischen den BH s und den Geldscheinen existierte. Außer ihm schien nur ein einziger anderer Gast anwesend zu sein: ein großer, hagerer Mann in flaschengrünen Shorts, der an der Jukebox lehnte und fortwährend mit dem Gerät redete. Siebeneisen setzte sich auf einen Hocker an der Bar und schaute zu den Büstenhaltern hinauf. Aus der Jukebox dröhnte »Barking Spiders: Live« von Cold Chisel. Es roch nach Rauch, Bier und altem Frittierfett.
    »Want a tinnie, mate?«
    Von irgendwo aus dem Halbdunkel materialisierte sich der Barkeeper. Siebeneisen nickte. Als Kind hatte er seinen Vater oft bei dessen Rundgängen in der Kaserne begleitet. Damals machten dort regelmäßig australische Offiziere Station, die dem Kleinen ein paar Brocken Englisch beibrachten. Deswegen wusste Siebeneisen, dass mate so viel wie Kumpel bedeutete und die übliche australische Anrede darstellte. Und ein tinnie war eine Dose, was in diesem Teil der Welt selbstverständlich gleichbedeutend war mit einer Dose Bier. Tinnies trank man gerne schon zum brekkie , dem Frühstück, spätestens aber zum Abendessen, bei dem üblicherweise eine kleine Herde Rinder auf den Grill geschmissen wurde. Das hieß dann natürlich nicht Barbecue, sondern barbie .
    Siebeneisen hatte den ersten Schluck aus seiner tinnie getrunken, als sich der Hagere von der Jukebox an die Bar setzte. Er nickte dem Mann unverbindlich zu, was sich leider als folgenschwerer Fehler herausstellte.
    » G’day, mate! Fremd hier? Ich komm mal rüber, haste ja nix dagegen, oder? Tolles Roadhouse! Super Jukebox! Wohnst du auch gegenüber bei Matt im Motel? Ist ein guter Kumpel von mir, kannte schon meinen alten Herrn, als der noch bei der Eisenbahn war. Hat die Gleise mitten durchs Outback gelegt, war ’ne miese Maloche, kann ich dir sagen, mussten per Kamel versorgt werden, weil die Gäule in der Wüste verreckten, meine Frau Mutter hat ihn oft monatelang nicht gesehen …«
    »Ich bin aus Deutschland«, sagte Siebeneisen, bloß, um irgendetwas zu sagen.
    Auf den Redefluss des Hageren neben ihn hatte das keinerlei Einfluss. Der Mann hatte offensichtlich seit sieben Wochen ausschließlich mit Jukeboxen kommuniziert, anders ließ sich die Kaskade von biografischen Details und Anekdoten unmöglich erklären, die in den nächsten Minuten auf Siebeneisen einprasselte. Wahrscheinlich machte das Outback das mit den Menschen, die zu lange allein in ihm herumfuhren, dachte er: Sobald sie jemandem zum Reden finden, stoppt sie kein querliegender Tanklaster.
    »Lucky Jim der Name, hab ich das schon gesagt? Lucky wie lucky , weil ich vor zwanzig Jahren diesen reifengroßen Türkis in einer Mine in Cooper Peedy gefunden hab, bin sozusagen steinreich geworden, verstehste?«
    Siebeneisen verstand durchaus. Er nickte, eine Bewegung, die Lucky Jim das Erzähltempo steigern ließ, nachdem er lautstark gerülpst hatte.
    »Zwei Monate später war die Kohle schon wieder futschikato, wie der Japaner sagt, genau wie die

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