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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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geplatzt waren und er zwei Tage ohne Wasser festsaß und nur grüne Ameisen zu essen hatte, schmecken ja wie Zitronen, und wie ihn der Suchhubschrauber nur deshalb fand, weil er einen halben Berg in die Luft jagte, als der Heli hoch über ihm kreiste.
    »Das Loch kannste heute noch sehen! 800 Kilo TNT hab ich verpulvert! Steht sogar im Lonely Planet – die schreiben, es sei der Krater eines Kometeneinschlags aus dem Jura!«
    Manchmal macht die Zeit so was ja. Schert sich einen Dreck um Einstein und das Universum und tut stattdessen endlich mal, wozu sie Bock hat. Trödelt herum, zieht sich selbst in die Länge. Checkt mal ab, wie das ist, wenn sie kurz stehen bleibt. Dabei entsteht in der irritierten Struktur des Universums ein seltsames Geräusch, eine Art weißes Rauschen – ganz ähnlich jenem Ton, den Siebeneisen nun in der Ferne hörte und der unaufhörlich näher zu kommen schien. Irgendwann war das Rauschen so laut, dass Luckys Episoden wie durch dichten Nebel zu ihm waberten und sich Wörter wie »Hubschrauberabsturz«, »Ganzkörpergips«, »Krankenschwester« und »Miss Australia« zu surrealen Sinngebilden zusammensetzten. Siebeneisens Kopf bekam zunehmend Probleme mit der Schwerkraft und fiel immer wieder nach vorne. Irgendwann drückte er sich gegen den Widerstand der Atmosphäre von seinem Barhocker nach oben und stand auf, stand auf und schwankte wortlos zum Ausgang. Als er an dem Kamel vorbeikam, war es ihm, als zwinkere das Tier ihm mit seinem linken Auge zu.
    Draußen schloss ihn die Hitze des Outbacks in ihre Arme. Die Sonne hing über der Wüste wie ein roter Flummi, der gerade von der heißen Erde zurückgeschnellt war.

5
    Der frühe Morgen ist die schönste Tageszeit im Outback. Jene Stunden zwischen Noch-nicht-mehr-Nacht und Noch-nicht-ganz-Tag, wenn die Welt ganz bei sich zu sein scheint, wenn kein Motorengeräusch das liebliche Zirpen der Zikaden unterbricht und kein Cold Chisel-Gitarrensolo das zarte Rascheln aus den Büschen, wo sich die Giftschlangen schläfrig aneinanderkuscheln. Jene Minuten, in denen die Sonne noch hinter dem Horizont trödelt, der Himmel voller Vorfreude auf die anstehenden Backofentemperaturen aber schon mal vorsorglich rot angelaufen ist. Manchmal streicht dann sogar ein sanfter Wind über die ausgebrannte Outbackerde, der kleine Sandhosen aufwirbelt und so tut, als trage er den Duft von blühenden Gärten heran. Und dort, wo der Horizont noch dunkel ist, hängt die Milchstraße wie ein bleicher Bumerang am Himmel. Anders gesagt: An einem frühen Morgen macht das Landesinnere Australiens einen beinahe liebenswerten Eindruck. Zumindest so lange, bis man mit seiner Reisetasche auf den Parkplatz kommt und entdeckt, dass ein hagerer Mann in flaschengrünen Shorts am Auto lehnt und auf ein Känguru einredet.
    Für einen Moment dachte Siebeneisen, er habe sich geirrt und das da vorne sei nicht sein Mietwagen, aber da hatte Lucky Jim ihn entdeckt, gewunken und irgendetwas in seine Richtung gerufen. Und dann kam das Känguru auch schon auf ihn zugehüpft und stellte Siebeneisen seine Vorderpfoten auf die Brust. Das hier ist nicht wahr, dachte er, nein, nein, nein, das ist nur ein böser Albtraum, der dir in die Augen schaut, mehr nicht, Du! Musst! Jetzt! Aufwachen! Das Nächste, was er spürte, war eine feuchte Zunge im Gesicht. Und, gleich anschließend, ein kurzes Getrommel auf seiner Brust. Offenbar war das die Känguru-übliche Art, einen Fremden zu begrüßen.
    »Meet my mate Wilbur!«, rief Lucky Jim zu ihm hinüber, »keine Angst, der tut nichts!«
    Tat Wilbur aber doch – er baute sich erneut vor Siebeneisen auf und begann, an ihm herumzuschnüffeln. Siebeneisen versuchte, sich wegzudrehen, nach links, nach rechts, nach hinten, aber das Känguru tänzelte mühelos in die jeweils richtige Schnüffelposition. Es hatte seinen Kopf zwischen zwei Hemdknöpfe gesteckt und schnupperte dort weiter, während Siebeneisen verzweifelt versuchte, es von sich wegzudrücken. Lucky Jim rief ihm vom Auto zu, dass er das Tier als Junges adoptiert habe, die Mutter überfahren, das Kleine im Beutel, ganz zutraulich, man glaubt es nicht, und dann so schnell so groß geworden, mein lieber Mann, dabei fresse es nur Grünzeugs, 47 Kilo beim letzten Wiegen und noch nicht ausgewachsen, aber immer hungrig. Siebeneisen versuchte, das so schnell so groß gewordene Känguru daran zu hindern, ihn in den Sand zu ringen.
    »Was willst du?!«, rief er zu Lucky Jim hinüber, als ob er es nicht

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