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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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längst wüsste.
    »Hab von Matt an der Rezeption gehört, dass du nach Noolia fährst. Kannste uns vielleicht mitnehmen?«
    Die folgenden Stunden vergingen wie befürchtet. Natürlich hatte Siebeneisen die beiden nicht zurücklassen können, der nächste Bus wurde hier draußen bestimmt nicht vor 2027 erwartet, das hatte er nicht übers Herz gebracht. Vor allem nicht, weil Wilbur ihn die ganze Zeit mit seinen traurigen Känguruaugen angeschaut hatte. Jetzt hoppelte und rumpelte sein kleiner Mietwagen schon seit ein paar Stunden über eine stetig schlimmer werdende Piste Richtung Noolia. Draußen war alles wie gehabt. Man sah geisterweiße Eukalyptusbäume in einer roten Unendlichkeit. Verbrannte Süßgräserbüschel, schwarze Aschehaufen, aus denen wundersamerweise neues Grün spross. Und Termitenhügel, tausende aus der roten Erde ragende Miniaturwolkenkratzer. Auf dem Sitz neben Siebeneisen lag Wilbur und schlief. Lucky Jim hatte darauf bestanden, dass das Känguru vorne mitfahren durfte, »ihm wird hinten schnell schlecht, und das willst du deiner Mietwagenfirma nicht antun, mate «. Er hing quer über dem Rücksitz, trank mittlerweile sein bestimmt zwölftes tinnie und monologisierte. Von Pferderennen, Schlangenbissen, Wetttrinken und Achsenbrüchen. Siebeneisen lenkte sich ab, indem er darüber nachdachte, wie verschiedene Regisseure diese Fahrt durch das Outback verfilmen würden. Fellini hätte die wenigsten Probleme damit gehabt, der hätte bloß die Kamera mitlaufen lassen müssen und vor allem den Ton, gegen die Surrealität der Dialoge war das Schiff der Träume ein Theaterstück für Drittklässler. Kubrick? Hätte den Mietwagen aus der Luft gefilmt, ein kleines, abgeschlossenes Universum, isoliert in der bedrohlichen Natur, so wie Jack Nicholsons VW -Käfer in der Eingangssequenz von The Shining .Wim Wenders würde sich für Schwarz-Weiß entschieden haben, natürlich, er hätte eine klagende Gitarre unter die Bilder gelegt und ein Foto von Nastassja Kinski aufs Armaturenbrett geklebt. Und bei Jim Jarmusch wäre das Auto zu den Klängen von Tom Waits durch die Wüste gerumpelt, den Siebeneisen sehr bewunderte. Die Geräusche, die Stoßdämpfer, Auspuff und Bodenblech des Mietwagens von sich gaben, erinnerten frappant an Waits’ Rhythmen, die er mit Pfannen und Kochtöpfen aus dem Sezessionskrieg erzeugte, wenn er in der Scheune hinterm Haus seine Songs aufnahm.
    Der Boxzirkus campierte weit draußen vor Noolia, auf einem eingezäunten Gelände, das man auf einem Foto jedem Geografen als Teil der Sahelzone hätte verkaufen können. Mittendrin hockte eine Art Zirkuszelt. Es war rot-weiß gestreift und nicht richtig abgespannt, jeder Windstoß blähte es auf wie einen Fesselballon kurz vor dem Start. Neben dem Zelt stand ein Wohnwagen, auf der anderen Seite parkten sechs oder sieben verbeulte Kleinwagen und ein Laster, der aussah, als sei er beim letzten Golfkrieg der amerikanischen Artillerie im Weg gewesen. Außerdem gab es noch mehrere quer stehende Anhänger und etwas, das wie eine zusammengefallene Hüpfburg aussah. Das Ganze wirkte wie eine Mischung aus Mittelalterjahrmarkt und Mad-Max -Kulisse.Von einer Imbissbude war nichts zu sehen.
    Siebeneisen steuerte den Wagen durch das Gatter im Zaun. Lucky Jim war eingeschlafen und brabbelte leise auf dem Rücksitz vor sich hin, wahrscheinlich träumte er von Auftritten vor großem Publikum. Wilbur gähnte und streckte alle viere von sich. Siebeneisen tätschelte das Känguru sanft, stieg aus und ging hinüber zum Zirkuszelt. Als er es fast erreicht hatte, öffnete sich die Tür des Wohnwagens nebenan. Ein kräftiger Mann in fleckigem T-Shirt, Shorts und Hut erschien in der Tür.
    »Kann ich helfen?«
    Siebeneisen stellte sich vor. »Ist Sheila da? Ich würde sie gerne sprechen. Es handelt sich um eine Familienangelegenheit.«
    Der Mann in der Wohnwagentür zog an einem Joint.
    »Da bist du einen Tag zu spät, mate . Sheila ist schon vor nach Birdsville. Da steht am Wochenende unser Zelt. Gab noch ein paar Dinge dort zu klären. Das wird immer eine Riesenshow.«
    Siebeneisen war nicht sonderlich überrascht. Im Gegenteil: Es hätte ihn überrascht, wenn er Sheila hier getroffen und eine halbe Stunde später auf dem Rückweg nach Cairns gewesen wäre. So lief das nicht. So lief nichts, was Schatten und/oder Wipperfürth anleierten, das fing beim Besorgen neuer Tipp-Kick-Bälle an und setzte sich bei Flugbuchungen und jetzt eben mitten im australischen

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