Donnerstags im Park - Roman
wunderschön!«
George lehnte im Wohnzimmer am Kamin, um den Leuten vom Catering-Service nicht im Weg zu sein. Er trug seine uralte Smokingjacke und die schwarze Krawatte, hatte die grauen Haare ordentlich gescheitelt und schwarze Samtslipper mit Monogramm an den Füßen. Die Abendkleidung ließ ihn in Jeanies Augen irgendwie distinguiert wirken. Jeanie drehte eine Pirouette.
»Tolles Kleid.«
»Danke.« Sie hielt ihre neue Uhr hoch und bedankte sich mit einem Lächeln.
George ergriff ihre Hände. »Jeanie, es soll ein perfekter Abend für dich werden. Den hast du dir verdient.«
Ihr fiel die Verletzlichkeit in der Miene ihres Mannes auf. War das seine Art und Weise, ihr zu sagen, dass es ihm leidtat, ihr Leben vergeudet zu haben?
Es klingelte.
»Das ist bestimmt Chanty.«
Im Esszimmer sah es aus wie im Märchenland. Bei Sonnenuntergang wurde es von funkelnden Lichtern und dem Schein hoher Kerzen erhellt, die den sonst düsteren Raum zum Leben erweckten und die makellos weiße Tischwäsche sowie das Kristall, die fahlrosafarbenen Rosen und die bunten Partykleider der Gäste erstrahlen ließen.
George erntete Lachen, als er sich zu dem willkürlichen Prinzip der Sitzordnung bekannte, die sofort Gespräche in Gang brachte. Jeanie hatte sehr schnell einen Schwips. Sobald Ellie in einem der freien Zimmer untergebracht war und die ersten Gäste eintrafen, legte sich ein Schalter in ihr um. Sie hörte auf zu grübeln und ertränkte die Anspannung der vergangenen Wochen in Champagner. Nichts und niemand schien ihr mehr wichtig zu sein. Morgen war auch noch ein Tag.
Sie ließ den Blick schweifen und schmunzelte über die bunte Mischung von Freunden. Alex gab sich große Mühe, nett zu Rita zu sein; Dannys Monolog langweilte Jola tödlich; Marlene, ihre alte Tennispartnerin, brüllte ihrer rechten Tischnachbarin Sue ihre erzkonservativen Ansichten ins Ohr. Chanty hatte Glück gehabt und war bei dem attraktiven Mann von Georges Cousine gelandet. Im Allgemeinen schienen die Gäste sich wohlzufühlen. Alle freuten sich, als der Räucherlachs, die gebratene Ente und schließlich der Schokoladenkuchen mit Erdbeeren aufgetragen wurden.
»Gefällt’s dir?«, flüsterte Bill, der Mann von Rita, ihr zu. Jeanie mochte Bill. Er nahm kein Blatt vor den Mund und war trotz der Millionen, die er mit seinen Gartencentern verdient hatte, natürlich und bescheiden geblieben. Jeanie überlegte kurz, ob Rita ihm von Ray erzählt hatte, doch heute Abend war ihr das letztlich egal.
»Ja, sehr.«
»Ist das die Uhr?« Er ergriff ihr Handgelenk. »Schönes Stück.«
»Du wusstest Bescheid?«, fragte sie lachend.
»Klar, außer dir wussten es alle. George hat die letzten Monate von nichts anderem geredet. Er hat Rita, Chanty, Jola und mich gelöchert; wir mussten ihn beraten, was für eine Uhr er dir schenken soll.«
»Wart ihr euch einig?«
Bill lachte. »Natürlich nicht. George, der Uhrenexperte, wollte unbedingt ein Lederarmband. Chanty dachte, du magst römische Ziffern. Und ich habe das Gliederarmband vorgeschlagen. Das ist moderner als eins aus Leder, findest du nicht auch? Ganz sollten wir uns der Tradition doch nicht unterwerfen, oder?«
»Was hat Rita dazu gesagt?«
»Ach, Rita … Die hat vorgeschlagen, dass er dir einen Aston Martin kauft.«
»Ganz recht«, mischte sich John Carver, der schwule Innenarchitekt, ein, der ihnen bei der Gestaltung des Hauses geholfen hatte. »Eine Frau kann gar nicht genug Astons haben.«
»Ich würde gern ein paar Worte über Jeanie sagen«, erklärte George und klopfte mit Tante M.s Gabel gegen ein Kristallglas.
»Ich bin jetzt zweiunddreißig Jahre mit der besten Ehefrau von England verheiratet …« Hört! Hört!, erscholl es im Raum. George schob seine Brille hoch und wartete, bis es ruhig wurde. »Wie viele von euch wissen, haben wir uns im Kino kennengelernt. Im Screen on the Green in Islington, um genau zu sein, und zwar bei Julie Christie in Wenn die Gondeln Trauer tragen . Die fand mein Freund toll. Nach etwa der Hälfte des Films erklang ein Schrei aus der Reihe hinter mir. ›Hilfe! Schnell, jemand ist zusammengebrochen …‹ Und jemand anders rief: ›Ist ein Arzt unter den Zuschauern?‹ Es wurde hell. Da ich nicht wusste, was ich tun sollte, blieb ich, das muss ich zu meiner Schande gestehen, sitzen. Plötzlich tauchte eine wunderschöne junge Frau mit rotbraunen Haaren auf. Wir anderen waren wie gelähmt und sahen einfach nur zu, wie der arme Mann zusammengesunken nach
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