Donnerstags im Park - Roman
Anschuldigungen schneidet er sich ins eigene Fleisch. Warum sollte er das tun?« Trotz seines überzeugten Tonfalls schien Ray sich Sorgen zu machen. »Sie wollen die Angelegenheit doch nicht weiterverfolgen, oder?«
»Nein … Ich denke, ich habe Chanty überzeugt.« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht zu fassen, seine Behauptungen … Ich bin aus allen Wolken gefallen.«
Ray nahm einen Schluck Bier.
»Es wäre mein Ruin, wenn auch nur der Hauch eines Gerüchts aufkäme«, sagte er und strich sich die kurz geschnittenen grauen Haare zurück. »Natalie würde mich den Jungen nicht mehr sehen lassen, die Schule würde den Bach runtergehen – ein Gerücht würde genügen, um mich zu erledigen.«
Jeanie nickte. »Tut mir leid.«
»Es ist nicht deine Schuld.«
»Es ist immerhin meine Familie.«
»Du meinst also nicht, dass Ellie wirklich etwas gesagt hat?«
Als die Kellnerin das bestellte Essen brachte, beäugten sie es beide ohne Appetit.
»Vielleicht hat sie dich erwähnt. Sie liebt dich und Dylan, weil ihr sie zum Lachen bringt. Aber die Geschichten, die sie erzählt, drehen sich immer um Menschen, die sie kennt, und ergeben nicht den geringsten Sinn. Sie ist zu klein, um zu wissen, dass es Probleme geben könnte, wenn man auf jemandes Schoß sitzt. Letztlich ist die Frage ja auch sowieso irrelevant, weil sie nie auf deinem Schoß gesessen hat.« Plötzlich wurde ihr warm, und sie zog die Kostümjacke aus.
Ray schüttelte verwirrt den Kopf. »Glaubst du, es könnte bei einem anderen Mann passiert sein? Dass die Fakten stimmen und sie nur die Männer verwechselt hat?«
Das war Jeanie noch gar nicht in den Sinn gekommen. Sie ging rasch die Möglichkeiten durch. »Allein ist sie immer nur mit mir, George oder Alex.«
Sie stocherte in ihrem Reis-Hühnchen-Gericht herum. »Bei den beiden sitzt sie natürlich oft auf dem Schoß.«
Als sie Rays fragenden Blick sah, lachte sie.
»Nein, nein … Undenkbar, dass mein Mann oder mein Schwiegersohn ein Kinderschänder ist.«
»Alex wäre eher ein Lügner.«
»Um die Wahrheit geht’s gar nicht immer, oder?«
»Ich bin noch nie Opfer eines Rufmords gewesen«, stellte Ray fest. Er wirkte erschüttert; seine Gelassenheit war dahin. Er holte tief Luft. »Beim Aikido sehen wir den Angreifer als jemanden, der die innere Balance verloren hat, nicht als Feind. Es geht nicht um den Kampf als solchen, sondern um die Selbstverteidigung; wir nutzen die Körpermasse, um den Angriff abzulenken.«
»Klingt gut, aber wie soll mir das helfen, wenn er nicht mit einer Machete auf mich losgeht?«
Ray zuckte mit den Achseln. »Irgendwann wird er sein wahres Gesicht zeigen.«
Er streckte seine Hand nach der ihren aus, doch sie zog sie weg.
»Du weißt, dass wir uns nicht mehr treffen können.«
Ray senkte schweigend den Kopf.
»Noch Tee?«, fragte die Kellnerin, die mit einer großen Tonkanne an den Tisch trat. Sie nickten beide, obwohl ihre Tassen voll waren.
»Das mit Alex macht mir Angst, Ray. Es geht um dein Leben und meine Ehe. Der Himmel allein weiß, wie Chanty reagieren würde, wenn sie herausfände, dass ich ihren Vater hintergehe … Ich könnte es nicht ertragen, Ellie zu verlieren. Das wäre es einfach nicht wert.«
Sie sah Ray beschwörend an. Er erwiderte ihren Blick belustigt.
»Wir führen uns auf wie tragisch liebende Teenager.«
Sie musste lachen.
»Jeanie, ich finde, jetzt sind wir mal dran. Wir haben beide unsere Pflicht und Schuldigkeit in Beziehungen und Familie getan, wenn auch in meinem Fall nicht gerade erfolgreich. Aber du bist immer für alle da gewesen. Und plötzlich empfinden wir beide diese unglaubliche Verbindung, mit der keiner mehr gerechnet hätte.« Er senkte die Stimme. »Ich denke die ganze Zeit an dich, Jeanie. Vielleicht ist es nicht besonders cool, dir das zu gestehen, aber hey …«
Jeanie wurde rot.
»Mir ist klar, dass wir letztlich nichts voneinander wissen. Das mag abgeschmackt klingen, doch in deiner Gesellschaft fühle ich mich wie neu geboren. Ist das Liebe? Keine Ahnung. Es scheint auch nicht wichtig zu sein.«
Als Jeanie nichts erwiderte, fügte er hinzu: »Ich will nur sagen …« Er verstummte, zuckte frustriert mit den Achseln. »Es ist … Dich nicht mehr wiederzusehen, wäre eine trostlose Perspektive für mich.«
»Was soll ich tun?«, fragte sie mit schwacher Stimme.
Nun ergriff er ihre Hände. Das Essen war vergessen; sie nahmen die anderen Gäste nicht mehr wahr.
»Jeanie, wir können überhaupt nichts tun. Es
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