Donnerstags im Park - Roman
glaube, Chanty weiß über uns Bescheid oder ahnt es zumindest.«
»Warum, was hat sie gesagt?«
»Nichts. Alex hat zugegeben, dass du doch kein Kinderschänder bist. Er behauptet, missverstanden worden zu sein. Es war eine richtige Beichtstunde …«
Ray stieß einen Pfiff aus. »Gütiger Himmel. Wie hat deine Tochter das aufgenommen?«
»Das kannst du dir sicher vorstellen.«
»Wenigstens hat er endlich die Wahrheit gesagt.«
»Es ging nur noch um dich, und irgendwann hat sie mich angesehen …«
»Möglicherweise eine Überreaktion deinerseits. Es war ein anstrengender Tag.« Er seufzte. »Jeanie, sag nicht mehr als unbedingt nötig, wenn sie dich zur Rede stellt. ›Sich niemals entschuldigen, niemals etwas erklären‹ – das ist ein bewährtes Motto. Es gibt keine Beweise. Und wir haben ja auch … noch … nichts getan, weswegen wir ein schlechtes Gewissen haben müssten.«
»Ich kann meine Tochter nicht anlügen, Ray«, erklärte Jeanie.
»Du hast sie bereits so gut wie angelogen.«
»Und wenn sie fragt?«
»Nach allem, was passiert ist, wird sie kaum in der Stimmung sein nachzuprüfen, ob wir uns getroffen haben.«
Jeanie wusste, dass es keine angemessene Beschreibung für das gab, was zwischen ihnen war, ohne dass sie eindeutige Begriffe wie »Affäre«, »Untreue« oder »Liebe« verwendete – von denen alle und keiner zutrafen.
»Wie ist die Geschichte mit Alex ausgegangen?«, erkundigte sich Ray.
»Sie hat ihn weggeschickt. Es war dumm von ihm, das mit dir zuzugeben. Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihm die Sache mit Ellie fast verziehen. Aber der Junge versteht es wirklich, sie um den Finger zu wickeln.« Sie ließ einen Bus vorbeifahren, der ihre Worte übertönt hätte. »Sie wird ihm vergeben; das tut sie immer, egal was er angestellt hat.«
»Dir auch?«
Schweigen.
»Leider besitze ich nicht das Geschick von Alex.«
Jeanie hatte wie Ray Angst vor dem Aus ihrer Beziehung.
»Das mit uns geht sie nichts an. Aber leider sieht sie das anders.«
»Okay … Halt mich auf dem Laufenden, wie die Sache sich entwickelt.«
»Ja.«
Schweigen.
»Jeanie?«
»Tschüs, Ray.«
Chanty sah müde aus, viel schlimmer als Ellie, die schon wieder ziemlich munter wirkte. Die hektischen roten Flecken auf ihren Wangen hatten Jeanies Meinung nach eher mit der stickigen Luft in der Station zu tun als mit ihrem Sturz.
»Hast du schlafen können?«
Chanty schüttelte matt den Kopf. »Keine Chance. Aber ich hätte auch im Ritz kein Auge zugetan.«
»Ich hab dir einen Cappuccino mitgebracht.«
Chanty stürzte sich wie eine Verdurstende auf den Kaffee.
»Danke, Mum. Was für eine Wohltat.«
»Fahr nach Hause, gönn dir eine Dusche und ein Schläfchen. Ich bleibe bei ihr.« Jeanie beugte sich über ihre Enkelin, um ihr einen Kuss zu geben. »Guten Morgen, Kleines. Haben die Ärzte sich schon geäußert?«
»Schwester Julie meint, sie kommen so gegen elf. Vielleicht sollte ich bleiben, bis sie da gewesen sind.« Sie warf einen liebevoll-ängstlichen Blick auf ihre Tochter.
»Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt«, sagte sie und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus der Stirn. Ellie wich der Hand ihrer Mutter aus, weil sie dabei war, einen Turm aus Duplo zu errichten. »Glaubst du, es macht ihr was aus, wenn ich eine Weile verschwinde?«
Jeanie zuckte mit den Achseln. »Probier’s aus. Du kannst ja zurückkommen, wenn’s nicht klappt.«
Der Tag verging langsam. Ellie wollte, dass Jeanie ihr die Geschichte mit dem Krokodil ein viertes Mal vorlas. Um nicht wahnsinnig zu werden, variierte Jeanie sie immer wieder leicht: »Schwipp, schwapp, machte der Schwanz des Krokodils, als es durch die Tür schlüpfte, und schnipp, schnapp machten seine Zähne. Hatten die Kinder Angst? Und wie …«
»Noch mal«, verlangte Ellie und hielt Jeanie das Buch hin.
»Jetzt erzählst du mir die Geschichte«, sagte Jeanie.
Ellie überlegte kurz. »Zu schwierig. Du, Gin, bitte.«
»Na schön, ein letztes Mal.«
»Danke, Gin.« Ellie grinste triumphierend.
Ellies Zustand war laut Aussage der Mediziner so stabil, dass sie, wenn sie sich ruhig verhielt, am Abend nach Hause durfte, doch um fünf warteten sie immer noch auf die schriftliche Bestätigung eines Arztes.
»Fertig?«, fragte George, der mit den Autoschlüsseln in der Hand eintrat. »Der Wagen steht draußen, in der Lieferzone. Wir sollten zusehen, dass wir wegkommen.«
»Wir müssen warten; sie ist noch nicht offiziell entlassen.« Chanty, die
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