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Donnerstags im Park - Roman

Donnerstags im Park - Roman

Titel: Donnerstags im Park - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Boyd
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Liebes.«
    »Oje, und ich bin schuld. Wie hat er reagiert?«
    »Er hat mir nicht geglaubt und sich geweigert, darüber zu reden. Er meint, ich bringe das schon wieder ins Lot. Chanty, es ist nicht deine Schuld.«
    »Das heißt, Dad war nicht fassungslos?«
    »Natürlich war er fassungslos, aber das würde er nie zugeben, nicht mal sich selbst gegenüber.«
    »Bitte sag ihm nicht, dass ich es weiß, ja? Das wäre grässlich für ihn.«
    »Versprochen.«
    »Du klingst unglücklich.«
    »So fühle ich mich auch, aber das habe ich mir selbst zuzuschreiben. Ich wünschte, er würde mit mir sprechen, und wenn’s nur wäre, um mir zu sagen, dass er mich hasst.«
    »Hoffentlich tut er das nicht. Ich muss jetzt aufhören, bin an der U-Bahn. Wir unterhalten uns später weiter. Tschüs, Mum, richte Dad schöne Grüße von mir aus.«
    Jeanie wartete in der Hoffnung, an George heranzukommen. Irgendwann wurde ihr klar, dass er recht hatte: Es gab tatsächlich nichts zu besprechen. Was hätte er ihrer Meinung nach sagen sollen? Peinliche Fragen über das Wie, Warum und Wo waren einfach nicht Georges Stil. Also ging sie ins Bett, obwohl es erst zehn war, und versuchte, in einem Roman zu lesen, den Rita ihr geliehen hatte, ein in Indien angesiedeltes Epos mit zahlreichen Personen, die Jeanies überfordertes Gehirn nicht auseinanderhalten konnte. Schon bald gab sie auf, schaltete das Licht aus und schlief erschöpft ein.
    Ein merkwürdiges Geräusch weckte sie, fast wie von einem Kätzchen, eine Art ersticktes Miauen. Jeanie erstarrte. Vorsichtig schaltete sie die Lampe auf dem Nachtkästchen ein und sah, dass am Fußende ihres Betts zusammengerollt George lag.
    »George?« Jeanie streckte entsetzt die Hand nach ihm aus. Er reagierte nicht, schluchzte einfach nur weiter. Seine an die Brust gepressten Finger fühlten sich eisig an, und die Augen in dem bleichen, gequälten Gesicht waren geschlossen. Jeanie hüllte ihn in ihr Oberbett und zog ihn ganz aufs Bett.
    »George, Schatz …« Sie legte sich neben ihn und wiegte ihn wie ein Kind. »Alles in Ordnung, komm, mach die Augen auf, George.«
    Jeanie strich ihm sanft die Haare aus der verschwitzten Stirn, wie sie es so oft bei Ellie tat, streichelte sein Gesicht und seinen Körper und versuchte, ihn mit Worten aus seinem Erstarrungszustand zu befreien. Erst nach einer ganzen Weile spürte sie, wie er sich in ihren Armen regte, zu wimmern aufhörte und sich aus der fötalen Stellung löste. Dabei begann er unkontrolliert zu zittern.
    Als er die Augen aufschlug, war sein Blick leer und verständnislos.
    »Jeanie? Hilf mir … Mir ist so kalt … Was passiert mit mir?«
    »Das legt sich wieder. Du hattest einen Anfall.« Sie schob ihm Kissen in den Rücken und legte das Oberbett enger um ihn. »Hast du Schmerzen?«
    »Nein … Warum zittere ich? … Ich habe Angst, Jeanie.«
    Kurze Zeit später ließ das Zittern nach, und sein Gesicht nahm wieder Farbe an.
    »Wie bin ich hierhergekommen?«, fragte er mit matter Stimme.
    »Keine Ahnung. Ich bin von einem Geräusch aufgewacht und habe dich entdeckt. Du warst völlig weggetreten; wahrscheinlich ein Schock.«
    »Ein Schock? Warum sollte ich unter Schock stehen?«
    Jeanie sank der Mut. Bitte, dachte sie, bitte, lieber Gott, mach, dass ich nicht alles noch mal sagen muss. Sie drückte ihn schweigend an sich. George döste, den Kopf auf der Brust, weg. Ohne seine Brille wirkte er sehr alt und verletzlich.
    Jeanie wartete mit schlechtem Gewissen, dass er aufwachte. Monatelang hatten ihre Gefühle für Ray alles, was George sagte oder tat, vage und unwirklich erscheinen lassen. Doch jetzt, in ihren Armen, war er sehr präsent, sein Gesicht fast so vertraut wie ihr eigenes.
    Jeanie ging hinunter in die Küche, um Tee zu kochen. George war seit einer halben Stunde wach und wirkte körperlich erholt, wenn auch schwach. Als Jeanie ihm die Brille holte, die ordentlich zusammengeklappt neben seinem ungemachten Bett lag, hatte sie sich gefragt, was ihn mitten in der Nacht zu ihr getrieben hatte. Sie hatte ihn nie zuvor weinen sehen, nicht ein einziges Mal in den fünfunddreißig Jahren, die sie ihn kannte.
    »Jeanie, wir müssen reden«, waren seine ersten Worte nach dem Aufwachen gewesen, als wäre er mitten im Gespräch eingeschlafen und nähme lediglich den Faden wieder auf.
    Das Teekochen zögerte das Unvermeidliche nur hinaus, das wusste Jeanie, aber übermüdet, wie sie war, fühlte sie sich kaum in der Lage, das anzuhören, was er sagen

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