Donnerstags im Park - Roman
Sherborne, und meine Mutter kehrte in das Haus zurück, das wir in Dorset hatten.«
»Hast du dich nicht mehr mit ihm getroffen? Ich meine, wenn er deinem Vater so nahestand?«
»Er ist mit seiner Frau nach Südafrika übergesiedelt. Ma hätte sich vermutlich mit ihnen verabreden können, aber damals sind die Leute noch nicht so viel in der Weltgeschichte herumgeflogen wie heute. Außerdem war Ma, wie du weißt, die ungeselligste Frau auf dem Planeten. Ein Witz, dass sie ausgerechnet Diplomatengattin wurde.«
Jeanie hatte Imogen immer gut leiden können. Sie war charmant, sanftmütig und am glücklichsten in ihrem wunderschönen Garten gewesen und nach Komplikationen infolge eines Sturzes etwa fünfzehn Jahre zuvor gestorben, was George zutiefst bestürzt hatte.
»Hast du es ihr je gesagt?«
George lachte traurig. »Selbst wenn sie mir geglaubt hätte: Was hätte das für einen Sinn gehabt? Das hätte sie nur beunruhigt.«
»Stimmt wahrscheinlich. … Aber mir hättest du es erzählen können. Hast du denn kein Vertrauen zu mir?«
George nahm ihre Hand. »Dabei ging es nicht um Vertrauen. Ich hatte Angst, dich zu verlieren.«
»Mich verlieren? Du dachtest, ich würde aufhören, dich zu lieben, weil du als Kind missbraucht wurdest? Absurd.«
»Für dich vielleicht … Möglicherweise erscheint es mir jetzt auch so. Damals war es noch zu sehr Teil von mir. Es war immer in meinem Kopf, jeden Tag meines Lebens, und ich glaubte, du müsstest dann auch ständig daran denken, an mich und ihn … Doch hauptsächlich habe ich mich geschämt. Das tue ich noch.«
Jeanie hätte am liebsten vor Wut etwas zerschlagen. Sie stand auf und begann, im Schlafzimmer auf und ab zu marschieren.
»Du warst so jung, erst zehn. Wie bist du allein damit fertig geworden? Du konntest dir ja wohl kaum bewusst sein, was geschieht.«
»Er hat ein Spiel daraus gemacht.«
»Dieses perverse Schwein.« Sie versuchte, das Bild von dem Jungen im Arbeitszimmer, der sich nicht gegen die Avancen des erfahrenen Mannes wehren konnte, zu verdrängen.
»Siehst du. Wär’s dir jetzt nicht lieber, du wüsstest es nicht?«
Jeanie trat ans Bett und nahm George fest in den Arm. »Darum geht’s nicht.«
17
Sie beobachtete, wie das warme Wasser in der Badewanne über ihre Brüste schwappte. Ein Bild von George in Schuluniform ging ihr nicht aus dem Kopf: ein schlaksiger, schüchterner Junge in einem riesigen Blazer, in den er › noch hineinwachsen ‹ würde. George hatte damals mit dieser schrecklichen Belastung gelebt, und zwar allein. Fast hätte Jeanie geweint, denn Stephen Acland hatte nicht nur den Jungen geschädigt, sondern auch ihre Ehe vergiftet. Endlich wusste sie, was an jenem Tag vor mehr als zehn Jahren passiert war, an dem George sich aus ihrem Bett ins Gästezimmer zurückgezogen hatte.
»Ich habe mich mit Simon zum Lunch am Primrose Hill getroffen«, hatte George ihr stockend erzählt, »von einem der anderen Tische eine Stimme gehört und ihn sofort erkannt; er hatte eine markante Art, sich zu artikulieren, gewandt und in seiner Selbstsicherheit immer ein wenig zu laut. Aus seiner südafrikanischen Kindheit schwang in den Vokalen noch eine leichte Färbung mit. Seine Stimme war unverkennbar. Simon fragte mich, ob alles in Ordnung sei; offenbar war ich blass geworden. Ich tat so, als wäre mir übel, und ging zur Toilette. Acland folgte mir. Er musste über siebzig sein, aber in meinen Augen hatte er sich nicht verändert. Er hat mich vor der Herrentoilette abgefangen und so getan, als wäre nie etwas gewesen, mich gefragt, wie es mir gehe, und gesagt, wie sehr er sich freue, mich nach all den Jahren wiederzusehen. Dass Caroline im Jahr zuvor gestorben sei und sie ihm fehle. Ich habe kein Wort herausgebracht. Dann kam Simon, der sich Sorgen um mich machte, dazu, und Acland hat ihm, dreist wie eh und je, erzählt, was für eine wunderbare Zeit wir miteinander hatten, als ich ein Junge war, wie viel ihm meine Besuche in seinem Haus bedeuteten. Er sagte doch tatsächlich: ›Du und ich, wir waren ganz spezielle Freunde, nicht wahr, George?‹ Was für eine Unverfrorenheit! Ich wurde weiß wie die Wand. Er wusste, dass ich niemandem davon erzählt hatte und es auch nie tun würde.«
Jeanie hatte den Arm um George gelegt, der nach der scheinbar längsten Nacht ihres Lebens immer noch den marineblauen Pyjama trug, und gewusst, dass nichts auf der Welt seine Erinnerungen auslöschen konnte.
»Hast du an ihn und seine Schweinereien
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