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Donovans Gehirn

Donovans Gehirn

Titel: Donovans Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curd Siodmak
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Schlüssel und schrieb eine Nummer auf. Er war sein Leben lang übervorsichtig in allen Dingen. Selbst wenn er seinen Namen schrieb, schützte er seine linke Hand mit der rechten, so daß niemand sehen konnte, was er schrieb, bis er fertig war. Ich bin so erstaunt, daß er in der Stunde seines Todes an mich gedacht haben soll! Und warum hatte er meinen Namen auf einem Umschlag mit Geld in seiner Tasche? Er war niemals großmütig – wenn es ihm nicht selbst einen Vorteil brachte! Das macht mich sehr unsicher, Dr. Cory!«
    »Sie beurteilen ihn zu hart«, sagte ich. Ich ahnte Komplikationen.
    »O nein!« Sternli nahm die Gläser ab und reinigte sie sorgsam mit einem Stück Wildleder, wobei er sie ab und zu dicht vor die Augen hielt. »W. H. war mein ganzes Leben. Wie könnte ich hassen, wovon ich ein Teil gewesen bin? Als mich W. H. entließ, hatte ich nichts, wofür ich leben konnte. Ich habe keine Familie, nicht einmal einen Freund. Um sich Freunde zu machen, muß man tolerant und interessiert sein, und mit fortschreitendem Alter werden wir immer weniger anpassungsfähig. Man muß geben, um sich Freunde zu erhalten – und mein Vorrat ist erschöpft. Es gibt zwei Arten von Menschen – die schöpferischen und die nachahmenden. Ich gehöre zu den letzteren. Und solche Menschen sind sehr unfruchtbar – wenn nicht von außen her eine Beeinflussung kommt.«
    Er sprach ruhig. So war seine Philosophie; er sprach sie ohne Bitterkeit aus.
    »Ein Verlag ist an mich herangetreten, ob ich nicht ein Buch über W. H. schreiben will – er bietet mir dafür eine große Summe. Ich hätte das Geld für die Zukunft bitter nötig, mein Gehalt war zu klein, als daß ich hätte sparen können.«
    Sternli sprach eifrig. Er fühlte, daß meine Beziehung zu Donovan enger war, als das Ergebnis des einen unglücklichen Zusammentreffens. Er konnte das Band zwischen seinem früheren Herrn und mir nicht erkennen, aber er fühlte sich gezwungen, mit mir zu reden, um viele ungesprochene Worte endlich einmal loszuwerden.
    Zu Donovan hatte er nie gesprochen wie jetzt zu mir. Seine natürliche Schüchternheit und die Furcht vor seinem Herrn hatten ihn daran gehindert. Doch jahrelang hatte Sternli im Herzen gehofft, daß er eines Tages den Mut finden würde, zu ihm zu sprechen wie ein Mann zum anderen. Der Tag kam nie.
    Nun war mit Donovans Tod diese Hoffnung gestorben, aber mit mir zu sprechen bedeutete für ihn die Beichte von Verbrechen, bei denen er – wenn auch nur als Werkzeug seines Herrn – irgendwie der Sünder war.
    Er erzählte mir seine Lebensgeschichte, die typisch war für einen zurückgezogenen, nachdenklichen Menschen, der sich von der Welt abschloß.
    Sternli hatte Donovan in einem Maße verehrt, daß diese Verehrung seine eigene Persönlichkeit zerstörte. Donovan hatte diese Ergebenheit hingenommen und ohne jede Skrupel den größtmöglichen Vorteil aus diesem Mann gezogen, der kein eigenes Leben leben konnte oder leben wollte.
    Sternli hatte Donovan in Zürich getroffen, wo er Sprachen studierte. Als er den Millionär zum erstenmal sah, natürlich im teuersten Hotel, war der Student sofort fasziniert durch seine mächtige Persönlichkeit. Er war an einem Nachmittag ins Baur-au-Lac-Hotel gegangen, bloß um einmal zu sehen, wie die Reichen dieser Welt lebten. Während er langsam seinen Kaffee trank, hörte Sternli Donovans dröhnende Stimme nach jemand rufen, der ihm ein paar Telegramme ins Portugiesische übersetzen konnte. Er hörte auch, wie der erschrockene Portier sich entschuldigte.
    In einem seltenen Anfall von Mut, der den Wendepunkt seines Lebens kennzeichnete, bot Sternli seine Dienste an.
    Donovan behielt ihn um sich, während er in Zürich war, und als er abreiste, bot er ihm an, ihn als Sekretär zu begleiten. Der junge Mann stürzte sich auf die Gelegenheit, die Welt zu sehen.
    Sternli wurde Donovans Schatten, Teil von ihm wie ein Paar Brillengläser. Er schlief Tür an Tür mit Donovan, folgte ihm von Konferenz zu Konferenz, von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent. Als Donovans Sekretär, Briefschreiber, Dolmetscher (doch niemals als sein Freund) wuchs Sternli in seine Stellung hinein, er wurde das lebende Gedächtnis der komplizierten Maschinerie, die Donovans Hirn war.
    Er nahm niemals Urlaub. Er hätte nicht gewußt, was er mit sich selbst anfangen sollte. Nur einmal, als seine Mutter gefährlich erkrankte, bat er um einen kurzen Urlaub, um sie zu besuchen. Zögernd willigte Donovan

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