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Doppelgänger

Doppelgänger

Titel: Doppelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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es sonst sein?) stand unbeweglich in der Ecke unter dem Fenster und blickte den Eindringlingen mit misstrauischen Augen entgegen.
    Dr. Nimms sagte in beruhigendem Tonfall: »Hier bringe ich Ihnen jemanden, den Sie kennen, Miss Beeding. Er ist von Brindown, wo auch Sie herkommen.«
    Sie antwortete nicht. Sellers blickte sie an; aus der Nähe konnte er ihr Gesicht und ihre Kleidung natürlich deutlicher sehen, und ein leichter Schauder lief ihm über den Rücken, als er Unterschiede bemerkte, die fast zu vage waren, um sie zu beschreiben, jedoch nicht zu übersehen. Seit seiner ersten Begegnung mit ihr hatte er sie ebenso an ihrer Kleidung identifiziert wie an ihrem Gesicht: an dem widerlichen fettig glänzenden, bis zu den Knöcheln herabhängenden Rock, der ursprünglich einmal marineblau gewesen sein musste und jetzt von einer blaugraubraunen Färbung war, und an der knopflosen unförmigen Strickjacke, über der sie im Winter einen ausgefransten alten Tweedmantel und einen groben Wollschal trug.
    Man konnte nicht sagen, dass die Form der Kleidung nicht stimmte – der Rock hing in der richtigen Länge bis zu ihren Knöcheln, die Strickjacke war genauso ausgebeult und speckig wie sonst.
    Aber ihre Struktur war irgendwie …
    Unwillkürlich streckte er seine Hand aus, um ihren Ärmel zu berühren – da schlug sie fast karateartig nach ihm und hätte sein Handgelenk hart getroffen, wenn er den Arm nicht gerade noch rechtzeitig zurückgerissen hätte.
     

 
     
     

     

 
    Er nahm den Rest seiner Selbstbeherrschung zusammen und fragte sie in demselben, beruhigenden Ton wie Dr. Nimms: »Miss Beeding, Sie kennen mich doch, nicht wahr? Ich bin Constable Sellers.«
    Der schlaffe Mund bewegte sich, und nach einer Weile kamen Worte heraus.
    »Sie sind der Junge von Brindown«, sagte sie klar und deutlich. »Dort in der, wo ich samstags hingehe, weil die mich nicht in Ruhe.«
    Sellers blinzelte sie verwundert an, blickte dann zu Dr. Nimms, in der Hoffnung, von ihm eine Erklärung zu bekommen.
    »Sie spricht so unzusammenhängend, seit sie eingeliefert wurde«, sagte Nimms leise, und sprach sie dann selbst an.
    »Wohin schicken sie Sie an den Samstagen, Miss Beeding?«
     
    Sie verzog das Gesicht. »In die dort, ist der Junge – dieser, er.«
    »Wirklich erstaunlich«, murmelte Nimms. »Sehen Sie, Constable, was wir uns nicht erklären können, ist die Art, wie sie ihre Sätze formuliert. Sie haben es ja eben selbst gehört. Sie lässt Worte aus, ohne dass es ihr bewusst wird. Amnesie wird gewöhnlich von einem genau bestimmbaren Erlebnis hervorgerufen, und dieser Teil der Erinnerung ist dann vorübergehend unzugänglich. Aber ich habe noch nie einen Zustand kennen gelernt, wo Worte mitten in einem Satz ausgelassen werden! Ganze Blöcke von Bezügen, ja; einzelne Worte, nein!«
    Er zuckte die Achseln und wandte sich zur Tür. Sellers war froh, die Zelle wieder verlassen zu können, trat vor ihm auf den Korridor und wartete dort, bis er die Tür wieder verschlossen hatte.
    »Was wollen Sie mit ihr tun?« fragte er dann.
    »Das weiß ich noch nicht. Wir müssen natürlich versuchen, sie zur Kooperation zu bringen – die Sachen, die sie trägt, sind ekelerregend! Bis jetzt hat sie noch keinen Bissen gegessen; vielleicht bekommt sie bis zum Abendessen Hunger und wird dann etwas zugänglicher. Wenn nicht, müssen wir etwas tun, das ich persönlich hasse: sie dazu zwingen. Wenn ein Tag Hungern sie genügend geschwächt hat, können wir ihr morgen früh eine Injektion geben, die sie soweit beruhigt, dass wir sie auskleiden und baden können. Wie es weitergeht … Sie ist doch Ihre Miss Beeding, nicht wahr?«
    Sellers, den die plötzliche Frage überrascht hatte, zuckte die Achseln. »Wissen Sie, Sir, wenn ich ihr auf der Straße begegnete, würde ich mir sagen, hallo, da ist ja die alte Miss Beeding, und ich würde vielleicht auf sie zugehen und sie grüßen; und wenn sie sich dann zu mir umwendete und ich ihr Gesicht sähe, würde ich wahrscheinlich denken, dass ich mich getäuscht hätte. Und ich kann Ihnen nicht sagen, warum ich sie anders finde. Aber sie ist anders.«
    »Fülliger, wie Sie gesagt haben?« fragte Nimms.
    »Ja, doch das ist nicht alles. Ich habe sie immer nur in diesen alten Fetzen gesehen, über ein Jahr lang, seit ich bei der Polizei von Brindown bin. Aber sie sehen jetzt anders aus. Irgendwie glatter, fettiger, glänzender, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er sagte es fast trotzig, als ob er erwartete,

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