Doppelkinnbonus: Gesamtausgabe (German Edition)
einem letzten verzweifelten Zögern langsam von ihm abwende.
„Viel Spaß mit der Lasagne“, sage ich fest entschlossen, während ich die Küche verlasse. „Ich hoffe, du hast die Sahne nicht vergessen!“
*
Hektische Passanten ziehen wie bunte, konturlose Schatten am Schaufenster vorbei, während ich wie angewurzelt davor stehe und mich skeptisch mustere.
Meine Stimmung ist mies, im Grunde wäre ein rabenschwarzes oder zumindest mausgraues Outfit das richtige für diesen deprimierenden Dienstagmorgen. Stattdessen habe ich mich für einen bordeauxroten Hosenanzug und ein schwarzes, enges Top entschieden, meine Ausrüstung für einen bevorstehenden Tag im Büro.
Während ich mein Spiegelbild betrachte, spüre ich erneut die Wut in mir wach werden. Oder ist es mittlerweile vielmehr Enttäuschung?
Es wäre leicht zu sagen, dass Alexander mir das Selbstbewusstsein nimmt, dass er alles tut, um mir den Stolz auf meine neue Figur auszutreiben und mir einzureden, dass das Leben nur dann lohnenswert ist, wenn man in der Lage ist, das Schlemmen zu genießen. Gleichzeitig werde ich aber auch das Gefühl nicht los, dass er es tatsächlich gut mit mir meint. Bin ich verrückt? Oder einfach nur hoffnungslos verliebt und deshalb unfähig, seine Fehler zu erkennen?
Was heißt überhaupt unfähig? Immerhin habe ich gerade erst mit ihm Schluss gemacht. Wenn das nicht konsequent ist! Während ich vor dem Schaufenster stehe und meine herbeigesehnte Traumfigur begutachte, frage ich mich allerdings, was mir diese Konsequenz nützt. Es ist vorbei. Und zwar, weil ich es beendet habe.
Nein. Jetzt bloß nicht heulen! Es war die einzig richtige Entscheidung. Und so sehr es jetzt auch schmerzt, irgendwann werde ich mich darüber freuen, mir selbst treu geblieben zu sein. Fragt sich nur, wann. Wenn ich als alte Jungfer mit Schoßhündchen und Wellensittich am Fenster sitze und die Nachbarn beim Ein- und Ausparken beobachte?
Eine unverschämt gut gelaunte Stimme unterbricht meine Weltuntergangsgedanken.
„Morgen, Romy.“ Angela, die Plaudertasche der Buchhaltung, scheint die Verzweiflung meines erneuten Singledaseins regelrecht zu riechen. „Alles in Ordnung bei dir?“
Die Art, wie sie das „O“ in die Länge zieht, hätte es verdient, mit Ignoranz gestraft zu werden. Stattdessen setze ich mein unbefangenstes Lächeln auf. Wenn schon Liebeskummer, dann heimlich.
„Guten Morgen, Angela“, antworte ich. „Ja, danke, alles in Ordnung. Ich schaue nur gerade, ob mein Hosenanzug gut sitzt.“
„Wir haben oben im Büro auch einen Spiegel“, stellt sie lachend fest. „Auf der Damentoilette, neben der Garderobe und im Kleiderschrank von Karim.“
„Der gute alte Karim“, antworte ich betont ungezwungen. „Ein Leben ohne Spiegel wäre für ihn vermutlich ohne Sinn.“
„Du sagst es.“ Lachend pufft sie mir in die Seite, während wir nebeneinander auf den Eingang des Firmengebäudes zusteuern.
*
Die Worte und Zahlen auf dem Bildschirm vor mir sind nichts als schwarze Punkte. Keine Information dringt zu mir durch, selbst der dritte Kaffee an diesem Morgen weigert sich partout, seine Wirkung zu zeigen.
Ich bin am Arsch. Und zwar so richtig. Und daran bin ich auch noch selbst schuld.
Warum nur ist es der unaufhaltsame Lauf der Dinge, all die Gründe, aus denen man einen Kerl in den Wind geschossen hat, sofort zu vergessen, sobald er sich tatsächlich in den Wind hat schießen lassen?
Rein theoretisch kenne ich sie ja, meine Gründe. Mangelnder Respekt. Sein ständiger Versuch, mich ändern zu wollen. Das Manipulieren meiner eigenen Wünsche.
Ja. Das sind sie, meine triftigen Gründe.
Doch in diesem Moment, zwischen deprimierenden Ausgangsrechnungen und unleserlichen Notizen meines Chefs, verblassen sie fast gänzlich neben der quälenden Frage, wie ich es auch nur einen einzigen Tag ohne Alex aushalten soll.
Was er wohl gerade macht? Sieht er sich bereits nach einer Nachfolgerin für mich um?
Ganz sicher. Der Zug mit mir ist schließlich endgültig abgefahren, das muss auch ihm klar sein (warum sonst meldet er sich nicht?), warum sollte er also wertvolle Zeit verlieren?
Romy-Pummelchen. Der Gedanke, dass er den grässlichsten aller Kosenamen nun einer anderen geben könnte, bohrt sich in meinen Verstand wie ein Nagel in morsches Holz. So grässlich der Kosename auch war, er gehörte mir . Mir allein.
Ob er meine Nachfolgerin bereits kennt? Ist sie vielleicht eine Nachbarin? Oder die Kellnerin mit dem
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