Doppelspiel
wieder in allen möglichen Sprachen angesprochen wurde. Die Männer boten ihr Hilfe beim Einkaufen an, bei Sprachproblemen und vermutlich auch beim Ausziehen in der Abgeschiedenheit ihrer Schlafzimmer. Höflich lehnte sie alle Angebote ab. Tatsächlich brauchte sie auch keine Hilfe. Sie sprach fließend Französisch, und sie kannte die Preise. Und sie konnte feilschen. Shaw sah, wie sie den Preis einer Bluse herunterhandelte, eines blau-gelben Schmucktellers, einer Flasche Wein und eines Dutzends Zucchini, bis sie hatte, was sie wollte.
An diesem Abend saß Shaw auf der Terrasse eines Cafés in Gordes. Er überlegte gerade, was er essen sollte, als überraschend die Frau an seinen Tisch trat.
»Parlez-vous français? «
»Oui, je parle français« , antwortete er, fügte dann aber hinzu: »Mais mon anglais est meilleur.«
Sie lächelte freundlich. »Mein Englisch ist auch deutlich besser als mein Französisch. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich zu Ihnen setze? Ich habe die letzten paar Mal allein gegessen. Am Anfang ist das ja ganz spaßig, aber es wird rasch langweilig.«
Shaw deutete auf den Stuhl neben sich. »Bitte.«
Sie zog den Hut aus, setzte sich und nahm sich eine Speisekarte.
»Was können Sie mir denn empfehlen?«, fragte sie und schob sich die teure Sonnenbrille auf die Stirn, obwohl die untergehende Sonne ihr genau ins Gesicht schien.
»Das Hühnchen puttanesca«, antwortete Shaw. »Mit einem guten, alten Steak mit Pommes und Salat können Sie aber auch nichts falsch machen.«
»Sollen wir Wein bestellen?«
»Wir sind in der Provence. Ich glaube, das ist hier gesetzlich vorgeschrieben.«
Sie bestellten, und der Kellner brachte sofort den gewählten Rotwein und zwei Gläser. Dann schenkte er ihnen ein und verließ sie wieder.
»Es ist wohl ein wenig unverschämt von mir«, sagte die Frau, »dass ich mich Ihnen einfach so aufgedrängt habe.«
»Ich weiß nicht, ob man da heutzutage noch von ›unverschämt‹ sprechen kann.«
»Aber zunächst einmal … Meine Name ist Jane Collins, Janie für meine Freunde.« Sie streckte die Hand aus. Shaw hob amüsiert die Augenbrauen und schüttelte sie.
»Bill.«
»Amerikaner?«
Er nickte. »Und Sie?«
»Was auf meinem Pass steht.«
»Ich komme aus D. C.«
»Und was tun Sie so in der Hauptstadt unserer Nation?«
»So wenig wie möglich. Ich habe als Lobbyist gearbeitet, doch dann habe ich mein Unternehmen verkauft und beschlossen, ein wenig von der Welt jenseits des Kapitols zu sehen.«
»Haben Sie Familie?«
»Ja, ich bin ein stolzer Vater.« Shaw holte seine Börse heraus und zeigte der Frau das Bild eines Mädchens und eines Jungen, das Frank ihm gegeben hatte. »Das sind Michael und Alli. Sie sind daheim in den Staaten.«
Sie gab ihm das Bild wieder zurück. »Wunderschön. Dann reisen Sie nicht in Begleitung Ihrer Frau?«
»Wir sind geschieden.« Shaw steckte das Foto in seine Brusttasche. »Das Bild ist schon etwas älter. Inzwischen sind die beiden Teenager.«
»Dann müssen Sie ja früh angefangen haben. So alt sehen Sie gar nicht aus.«
»Trinken Sie ruhig noch ein wenig Wein. Ich mag die Wirkung, die er auf Ihr Sehvermögen hat. Was ist mit Ihnen? Was ist Ihre Geschichte?«
»Die ist nicht wirklich aufregend. Mein Dad hatte Berge von Geld. Er und meine Mom sind viel zu früh gestorben, und ich war das einzige Kind.«
»Das tut mir leid. Ich nehme an, da hilft einem auch das ganze Geld nichts.«
»So habe ich das nie gesehen, aber ich glaube, ich bin auch so ganz gut gelungen. Aber obwohl ich noch sehr jung war, als sie gestorben sind, vermisse ich sie noch immer.«
»Das verstehe ich.«
»Aber das Leben geht weiter«, seufzte Janie und starrte kurz ins Leere, bevor sie sich wieder zu Shaw umdrehte und schwach lächelte. »Ich bin reich; ich reise gerne, und ich sehe viele fremde Orte. Es ist hier einfach wunderschön. Und? Wie lange sind Sie schon in der Stadt?«
»Ein paar Tage.«
»Und danach?«
»Danach geht es zuerst nach Italien und dann nach Griechenland, aber ich lasse mir Zeit. Mein ganzes Leben lang bin ich nur von einem Termin zum anderen gehetzt. Jetzt will ich es endlich mal ein wenig ruhiger angehen lassen.«
»Wo wohnen Sie?«
Shaw rutschte verlegen auf seinem Stuhl herum. »Also, offenbar gibt es doch noch so etwas wie ›unverschämt‹.«
Janie lief rot an. »Okay, das habe ich wohl verdient. Ich stelle einfach immer zu viele Fragen, gebe aber auch zu viel von mir preis … und das gegenüber
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