Doppeltes Spiel (German Edition)
drehen.
Sandrine pflegte ihr morgens eine Tasse Kaffee ans Bett zu bringen, aber da Lysette erst spät in den Morgenstunden Schlaf fand, hatte sie der Haushälterin eine Nachricht an die Tür gehängt, sie möge sie bei Philippe entschuldigen und schlafen lassen.
Gegen Mittag rappelte sie sich auf, zerschlagen an Leib und Seele, und ging in die Küche, um sich einen Kaffee und ein Croissant zu holen. Es blies ein kräftiger Mistral, der ihr in ihrem übermüdeten Zustand einen Aufenthalt im Garten verleidete. Deshalb nahm sie die Kaffeekanne und zog sich mit ihrem Frühstück in die kleine Bibliothek zurück. Sie griff sich wahllos ein paar der zerfledderten Liebesromane, einen Krimi und die beiden Bücher über Weinbau, stapelte sie aufs Fensterbrett, zog sich den alten Ohrensessel ans Fenster und kuschelte sich hinein.
Sie blätterte lustlos in den Liebesromanen und las den Krimi quer - der Mörder war so offensichtlich, dass sie auch dieses Buch angeödet aus der Hand legte. Dann vertiefte sie sich in »La Vigne et sa culture«, ein vergilbtes Buch aus den Sechzigern, und las sich darin fest. Sie stolperte über einige Ausdrücke, die sie nicht kannte - was bedeutete ›èchamp‹ und was sollte sie sich unter einem Werkzeug namens ›meigle‹ vorstellen? - aber sie war zu träge, um aufzustehen und den dicken Larousse aus dem Bücherregal zu holen.
Es war beruhigend und einschläfernd, sich mit einem solchen Thema zu beschäftigen. Lysette spürte, wie ihr die Augen zufielen.
Gedämpfte Stimmen weckten sie aus ihrem leichten Schlummer. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Die Stimmen kamen aus dem Arbeitszimmer, das neben der Bibliothek lag. Die dicke Tür dämpfte die Unterhaltung so weit, dass sie nicht verstehen konnte, worum es ging, aber sie erkannte Philippes Stimme.
Lysette richtete sich auf und streckte sich mit einem Gähnen. Sie nahm das kleine Tablett mit den Resten ihres Frühstücks und wollte hinausgehen, als ihr dämmerte, dass die einzige Tür der Bibliothek in Philippes Arbeitszimmer führte - wo er gerade mit einem anderen Mann eine zunehmend hitziger werdende Unterhaltung führte.
Jetzt konnte sie die ersten Satzfetzen verstehen, und was sie hörte, ließ sie mit der Hand auf der Türklinke verharren. Sie ließ langsam los und zog sich zum Fenster zurück. Es war ihr unangenehm, hier ungewollt zu lauschen, aber was sollte sie tun? Aus dem Fenster klettern?
Kurz entschlossen öffnete sie es und schaute hinaus, um den Abstand zum Boden abzuschätzen. Durch das ebenfalls offene Fenster des Arbeitszimmers drang undeutlich eine zornige Stimme an ihr Ohr: »Du hast mir hoch und heilig versprochen, dass du damit aufhörst!«
Lysette verharrte und biss sich auf die Lippe. Das war Philippes Stimme. Mit wem stritt er sich da - und worüber? Sie konnte ein Murmeln hören, aber der andere Mann schien sich am anderen Ende des Zimmers aufzuhalten. Sie verstand nicht, was er erwiderte, aber der erste fuhr auf: »Das ist mir vollkommen gleichgültig! Ich habe dir vor zwei Monaten gesagt, dass ich deine Schulden nicht mehr bezahlen werde. Und jetzt schreibt mich dein verdammter Buchmacher an und präsentiert mir eine Rechnung, die mir das Blut stocken lässt. Bist du wahnsinnig geworden?«
Wieder antwortete der andere, leise, besänftigend. Die Antwort schien den ersten Sprecher - Philippe - aber nur noch mehr aufzuregen. »Mein Lieber«, sagte er scharf, »ich habe dich lange genug gedeckt, und ich habe es nicht um deinetwillen getan, sondern um unsere Tante nicht aufzuregen. Und du weißt, dass Geneviève sich schrecklich echauffieren würde, wenn sie wüsste, was du treibst!«
Lysette unterdrückte einen Aufschrei. Sie presste die Faust gegen den Mund. Philippe stritt sich mit Nicholas, da gab es keine andere Erklärung.
»Das Mas gehört mir«, fuhr er fort. »Ich zahle Sandrines und Esteves Lohn. Ich bezahle deine verdammten Spielschulden, damit es keinen Skandal gibt, der Tante Geneviève umbringen würde. Aber, mein Lieber, ich bin nicht mehr bereit, deinen Lebenswandel zu bezahlen, deine kleinen Freundinnen, deine großen Autos, deine teuren Urlaube. Du magst mich für einen gutmütigen Trottel halten, den man nach Strich und Faden ausnutzen kann, aber das ist jetzt vorbei, mon vieux. Vorbei, hörst du? Ich decke dich nicht mehr!«
Lysette runzelte die Stirn. Das ergab doch keinen Sinn!
Der andere protestierte, und zum ersten Mal konnte sie etwas von dem verstehen, was er
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