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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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erforschen.«
    Sie durchschritt den Raum. »Komm! Wir haben eine Audienz.«
    Die gewaltige Aanshalle hatte sich nicht groß verändert seit meiner Abreise. Man hatte den Holzstuhl fortgeschafft, den ich einst vor dem Ehernen Thron hatte aufstellen lassen, um nicht selbst auf dem Monstrum aus Gusseisen und Edelstein Platz nehmen zu müssen. Doch da es nun eine neue Königin gab, deren Recht es war, auf dem Thron zu sitzen, bedurfte es meiner Zwischenlösung nicht mehr.
    Und genau dort saß sie, Ellyn von Gamar, wunderschön wie bei unserer letzten Begegnung, mit smaragdgrünen Augen und wallendem blonden Haar, das von einem fast unscheinbaren Diadem gekrönt wurde. Das grüne Feuer ihrer Augen flutete den Raum. Ihre Aufmerksamkeit galt einem Bittsteller oder Legaten, der vor den drei Stufen stand, die zum Thron hinaufführten und sich über etwas echauffierte, das ich nicht verstand. Mein Herz schlug auf einmal bis zum Hals, hatte ich diesem Moment doch mehr entgegengefiebert als ich es mir eingestanden hatte. Dann erblickte sie mich.
    Ellyn erhob sich, ohne ihren auf sie einredenden Gesprächspartner eines weiteren Blickes zu würdigen und stieg die Stufen herab. Ein wertvolles, dunkelblaues Seidenkleid warf fließende Falten, während sie durch die Halle eilte. Ich ging ihr entgegen und ehe ich mich versah, fand ich mich in der festesten Umarmung wieder seit dem Tod meiner Eltern.
    »Deckard«, flüsterte sie erleichtert und vergrub ihr Gesicht in meiner Schulter, während auch ich meine Arme fest um sie schlang, als wollte ich sie bis zum Ende der Welt nicht mehr loslassen. Schließlich lehnte sie ihre Stirn gegen meine.
    »Die Welt ist eine andere geworden, seit wir uns zuletzt gesehen haben«, hörte ich mich sagen.
    Ellyn nickte. »Wir sind nicht die Generation unserer Eltern und Großeltern. Wir werden alle Welten wieder errichten, die sie hinter sich einreißen.«
    Es war ein bisher unausgesprochener Schwur, der uns verband und gleichzeitig war es so absurd, wenn man die Gepflogenheiten der letzten Jahrhunderte bedachte. Jedem, der sich in diesem Moment in der Aanshalle befand, dürfte klar gewesen sein, dass dies hier nicht einfach die Begegnung zweier befreundeter Angehöriger der hohen Häuser war. Doch das Raunen der Leute war nicht von Bedeutung.
    Schließlich ließ Ellyn von mir ab und schritt erneut zum Thron hinauf.
    »Bürger und Einwohner des Ehernen Reiches«, sprach sie laut und mit beherrschender Stimme in den Raum hinein. »Dies ist Deckard, Markgraf von Falkenberg, den man fälschlicherweise als Verräter aus dieser Stadt gejagt hat. Seine Irrfahrten sind vorerst beendet, denn ich berufe ihn hiermit als persönlichen Berater an meine Seite. Er wird mir mit Wissen und Weitsicht beistehen, während dieser Konflikt zwischen der Hauptstadt und den nördlichen Fürstentümern schwelt.«
    Ich blickte mich misstrauisch um. Es war meine gewohnte Reaktion, mit der ich die Feindseligkeit, die mir entgegengebracht wurde, mit jedem Blick aufzuschnappen gedachte. Stattdessen sah ich lediglich Lias Lächeln auf mir ruhen. Mild und wissend.
    Erst nach dem Abendessen gab es Zeit, um unter uns zu sein. Das Leben als Regent war voller Arbeit, wie ich nur allzu gut wusste.
    Es war Ellyn, die mich in meinem Gemach aufsuchte. So, wie schon zuvor, als ich noch die leidliche Aufgabe hatte, die Geschicke des Reiches vorübergehend zu lenken … und mir die Finger daran verbrannt hatte.
    »Die Königin stattet also ihrem persönlichen Berater einen Besuch ab«, spöttelte ich schmunzelnd, als Ellyn eintrat.
    »Gerede wird es so oder so geben. Das kann ich nicht verhindern.«
    »Nach der Szene in der Ehernen Halle nicht mehr, das stimmt.«
    »Es ist mir egal«, meinte sie entschlossen, tat zwei lange Schritte auf mich zu und küsste mich innig.
    Ich schloss die Augen und gab mich meinen Empfindungen hin.
    »Willst du es sein, der an meiner Seite auf dem Thron sitzt, Deckard?«
    Die Frage kam unvermittelt und ich musste einen Augenblick darüber nachdenken. Grübelnd lehnte ich mich in den Rahmen der Balkontür, durch die sich die Nacht hereinstahl.
    »Mit dir gemeinsam die Geschicke dieses Reiches lenken?«, überlegte ich laut. Ein Schauer lief mir über den Rücken, von dem ich nicht wusste, was er bedeutete. Ja, ich empfand viel für diese Frau, aber würde es reichen, meine Schatten zu bewältigen? »Ich weiß es nicht, Ellyn. An deiner Seite zu sein, zu stehen, ist so verlockend …«
    »Aber?«
    »Aber könnte

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