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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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hin ein matter, aber äußerst stabiler Plattenpanzer verpasst. Auf den Schulterstücken prangte die Steinerne Hand, als Faust in die Höhe gereckt. Mehrere große rote Wachssiegel an Schultern und Torso kennzeichneten den Rang, den ich innerhalb des militärischen Gefüges innehatte: Höherer Kommandant. Hundertundfünfzig Männer und Frauen des Ordens unterstanden mir direkt – so hatte Eklipto es verlangt.
    Dann folgte die Ablösung auf den Mauern. Abschnitt für Abschnitt. Immer dann, wenn eine Angriffswelle abflaute und sich zum nächsten Sturmlauf sammelte, nutzten die Ordensleute die Zeit, um sich zurückzuziehen und ausgeruhte Brüder und Schwestern ihren Platz einnehmen zu lassen.
    Mein Verstand umgab sich mit einer schützenden Mauer, die gerade genug durchließ, um militärisch-strategisch zu denken und alles abblockte, was mich im Innern hätte verzweifeln lassen. Hier an der nordwestlichen Seite der äußeren Stadtmauer, blickte ich auf ein Feld von Soldaten. Ein Regiment aus Feinden formierte sich außerhalb der Schussweite neu. Es waren vielleicht doppelt so viele Männer und Frauen, wie ich Ordensleute auf der Mauer hatte. Auf ihren Rüstungen prangte das Gramenfelder Marschenpferd als Wappentier. Dunkelgrüne, sowie blassblaue Bänder an Armen und Beinen machten die Soldaten außerdem für die eigenen Leute kenntlich. Sie schulterten sieben oder acht Leitern und nahmen Kurs auf unseren Abschnitt der Mauer. Ich funktionierte einfach nur – so, wie es von mir erwartet wurde. Mit nahezu mechanischer Ruhe wartete ich, bis die Gramenfelder in Reichweite waren. Dann gab ich den Befehl an meine Schützen. Zusätzlich zu Schild, Spieß und Schwert, waren alle Ordensleute mit Kurzbögen ausgestattet worden. Pfeile gab es in großen Tonnen, die alle paar Schrittlängen entlang der Wehrgänge verteilt waren. So waren wir beim Pfeilhagel nicht allein auf die ausgebildeten Bogenschützen angewiesen, die Eklipto zu diesem Zweck ausschließlich auf den Türmen und Torhäusern positioniert hatte.
    Der Beschuss mähte die Gramenfelder in vorderster Reihe nieder. Ihre Kameraden ließen die Leitern geschultert und stiegen über sie hinweg. Sie konnten nicht umdrehen oder Hilfestellung leisten, sonst hätten wir sie über kurz oder lang vernichtet. Eine zweite Pfeilsalve ließ ich noch auf das Leiterregiment niedergehen, dann befahl ich auf Spieße und Schwerter umzurüsten. Wir durften den Pfeilvorrat nicht überstrapazieren.
    Zwei Leitern schafften wir, von der Mauer zu stoßen, bevor die ersten Feinde über die Zinnen stiegen. Nun aber ging es darum, Trauben um die Leitern zu bilden und Überzahlsituationen zu schaffen. Ich schrie mir die Kehle aus dem Leib.
    »Rüber!«, schrie ich zwei unschlüssige Soldaten an und wies auf die nächsten Leiterholme, die über die Mauer aufragten. »Dort rüber!«
    Ich schnellte hinterher und überließ die übrigen Trauben sich selbst, als ich merkte, dass diese gut organisiert waren. Die beiden von mir angeblafften Ordenskrieger rissen ihre Schilde hoch, als ein Gramenfelder schneller über die Zinnen stieg, als sie ihn daran hindern konnten. Krachend ging dessen Schwert auf einen der Schilde nieder. Ich sprintete, sprang zwischen die beiden Zinnen und rammte dem Angreifer meine gepanzerte Schulter vor die Brust. Kreischend stürzte er in die Tiefe, während ich einen Schlag gegen meine rechte Beinschiene spürte. Den Schmerz ignorierend schwang ich Erlenfang in einer kreisenden Bewegung und traf den nachfolgenden Gramenfelder auf der Leiter seitlich am Helm. Scheppernd ruckte sein Kopf zur Seite und er verlor ebenfalls den Halt. So schnell es ging, ergriff ich einen Holm der Leiter und versuchte das Gerät zu kippen. Aber das Gewicht der Gramenfelder, die darauf kletterten oder sich von unten dagegen stemmten, machte das unmöglich. Stattdessen erklomm eine Gramenfelderin das Zinnenzwischenstück neben mir und versuchte es mit einem Schwertstreich aus der Drehung. Doch ihr gelang es nach ihrer Kletterpartie glücklicherweise nicht, genügend Schwung in den Streich zu legen, sodass ich ihn durch eine schnelle Bewegung parieren konnte, wenn auch nur mit meiner Unterarmschiene. Es war eine junge Frau. Trotzig blickte sie mich unter ihrer Helmkrempe an und ihr langes Haar flatterte im Wind. Meine Fassade bröckelte. Sie ist noch so jung, schoss es mir durch den Kopf. Ich merkte, wie die Härte des Krieges wieder ihre Krallen nach der Welt meiner Gefühle ausstreckte. Nein! Ich

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