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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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keine mehr gesehen.«
    »Ich … ich habe noch nie welche gesehen«, flüsterte Hermelink wie betäubt. »Ich kenne nur Geschichten von den Mooskindern. Früher soll es sehr viele in den Wäldern gegeben haben.«
    Ich genoss still das Wunder, das sich uns bot, wie die Abendsonne eines langen Sommertages. Es war, als manifestierte sich eine längst vergangene Welt direkt vor meinen Augen – mit den geisterhaften Wesen, die dem Gott Fain zugesprochen wurden.
    »Ich will mit ihnen tanzen«, sagte Lia auf einmal. »Bleibt hier, ich denke, sie trauen euch Menschen nicht!«
    Damit erhob sie sich und schlich auf Zehenspitzen hinunter in die Senke. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie barfuß war. Nein, ich wollte diese einzigartige Erscheinung nicht zerstören, daher blieb ich liegen und beobachtete, wie Lia sich den Mooskindern vorsichtig näherte. Hermelink machte ein leises, seltsames Geräusch neben mir. Ich sah ihn an … und sah, wie seine Tränen das Mondlicht des kleinen Teiches spiegelten.
    Gerade wollte ich etwas sagen. So wie Lia, etwas über die Schönheit der Welt …
    … da hörte ich ihren Schrei.
    Ruckartig drehte ich den Kopf und sah hin.
    Die Mooskinder stoben auseinander in den Wald hinein und Lia wand sich. Ich sah den Schatten eines Mannes im silbrigen Licht. Schekich!
    Nie war ich schneller aufgesprungen. Ich rutschte durch das alte Laub in die Senke hinab und fokussierte mein Ziel.
    Schekich hatte Lia fest im Griff und das Silberlicht des Wassers offenbarte mir seine lange Klinge an Lias Hals.
    »Verschwinde, Graf!«, knurrte er. Die Überheblichkeit unserer letzten Begegnung war wie weggeblasen. »Du bist mir lästig!«
    »Ich-«
    Ein hoher Schrei ertönte. Etwas traf Schekich am Kopf und ließ ihn nach hinten taumeln. Lia ließ er dabei los und sie hechtete geschwind aus seiner Reichweite. Ehe ich wusste, wie mir geschah, war Schekich wieder auf den Beinen und Hermelink neben mir. Er war es nicht gewesen, der Schekich angegriffen hatte. Doch das war in diesem Augenblick nicht wichtig.
    Gemeinsam gingen wir auf den dunklen Häscher los, doch das Überraschungsmoment hatte ich dieses Mal nicht auf meiner Seite. Mit katzenhaften, gleitenden Bewegungen drehte Schekich sich um seine eigene Mitte und entging meiner und Hermelinks Attacke nahezu zeitgleich, indem er sich unter dem Schlag Hermelinks wegduckte und in der gleichen Bewegung alle Kraft in eine Parade gegen Erlenfangs Klinge legte. Vermutlich hätte mein Hieb ihn nicht einmal getroffen, doch Schekich hatte sein Ziel erreicht: Ich brauchte länger, um den Schwung wieder abzufedern. Dieser Moment reichte ihm, um Hermelink mit einem schmerzhaften Tritt in den Unterleib von den Beinen zu holen.
    Ich wirbelte herum und versuchte einen wahllosen Streich zu landen, traf jedoch nicht. Stattdessen trieb Schekich mich mit einer raschen Folge von Hieben, Stichen und waghalsigen Pirouetten vor sich her. Das schimmernde Silberlicht des kleinen Teiches machte es mir nicht einfacher, Schekichs Bewegungen zu folgen.
    Wieder ertönte ein schrilles Kreischen, und wieder wurde Schekich getroffen. Er purzelte rückwärts, kam jedoch noch in derselben Bewegung wieder auf die Beine.
    Eine Stimme erhob sich, allgegenwärtig, alles durchdringend, tief und volltönend.
    »LASS AB VON DEM ELBENMÄDCHEN UND SEINEN FREUNDEN. SOFORT !«
    Lachend ließ Schekich seine Klinge sinken.
    »Das beeindruckt mich nicht«, meinte er. »Also gut, ihr seid in der Überzahl und ihr habt einen Magier.«
    Dann zeigte er drohend mit einem Finger auf mich: »Aber wehe dir, Graf. Wenn ich das Mädchen einst habe, werde ich dich aufsuchen … Und dann wird irgendeiner meiner Schwertstreiche sein Ziel finden.«
    Wieder ertönte der helle Schrei.
    Diesmal duckte sich Schekich rechtzeitig und verschwand in den Schatten des nächtlichen Waldes.
    Ich sank in die Knie, schweißüberströmt trotz aller Kälte. Lemander stieg vorsichtig in die Senke hinab und half sowohl Hermelink als auch Lia auf die Beine.
    »Ts ts, Graf Deckard«, meinte er tadelnd und verschmitzt zugleich. »Das wird teuer.«
    Ich konnte nicht darüber lachen. Ja, Magie war teuer. Immens teuer, das wusste ich. Das hatte mit den benötigten Ingredienzien tun. Und der Effekt war vergleichsweise gering. Umso praktischer, dass Lemander sie richtig einzusetzen wusste.
    Der schrille Schrei ertönte erneut.
    »Ja ja, meine Gute«, beschwichtigte der Alte sein Falkenweibchen, das sich irgendwo oben im Geäst befand. »Du hast dir

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