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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Wurzelwerk.
    Unsere Begleiter hatten sich hingegen schnell daran gewöhnt, das seltsame Mädchen mit den spitzen Ohren zu ignorieren. Besonders die Soldatinnen und Soldaten der Garde hatte es schon nach anderthalb Tagen nicht mehr interessiert, was Lia mitzuteilen hatte. Diese pragmatische Herangehensweise war mir allerdings tausendmal lieber als ein ständiges, auf Gerüchten und Vorurteilen beruhendes Gemurmel und Getuschel. Das Elbenmädchen war schließlich nicht gefährlich für sie und es zu begleiten war Teil ihres Berufs.
    Ich für meinen Teil konnte nicht anders, als jedes Mal zumindest hinzuhören, wenn Lia wieder über die Geschichte eines besonders alten Findlings oder über die Struktur der hiesigen Baumwurzeln sprach. Auch, wenn sie das meiste davon Lemander erzählte und nicht mir.
    Dennoch war ich es, den Lia in der kommenden Nacht durch sanftes Rütteln an der Schulter weckte. Ich schlug die Augen auf, besonders tief hatte ich ob der Kälte zwischen meinen beiden dünnen Wolldecken ohnehin nicht geschlafen.
    »Ich muss dir etwas zeigen«, flüsterte sie aufgeregt.
    Ich rappelte mich hoch und pellte mich aus den Decken.
    »Was denn?«, erkundigte ich mich.
    »Fainskinder«, sagte sie verschwörerisch und mit einem kichernden Unterton.
    »Bitte was?«
    Doch wie gewohnt reagierte Lia nicht auf Nachfragen, sondern schlich in Richtung Wald davon. Ich stöhnte, warf Erlenfang am Riemen über die Schulter und blickte mich um. Es war unter anderem Hermelinks Nachtwache. Ich winkte ihn zu mir.
    »Was ist denn?«, wollte er wissen.
    »Ich glaube, unsere Elbin möchte mir ganz plötzlich sehr dringend etwas zeigen. Aber …«, ich zögerte und meine Blicke folgten Lia im Schein des Lagerfeuers, »… ich fürchte, sie möchte in den Wald.«
    Hermelink schüttelte energisch den Kopf. »Ich kann dich doch nicht einfach nachts in den Wald lassen und schon gar nicht alleine mit dem Elbenmädchen. Was glaubst du denn?«
    »Ich weiß, ich weiß«, versuchte ich, ihn zu beschwichtigen. »Dann komm eben mit!«
    Hermelink verdrehte die Augen. Er wusste, dass ich mich nicht würde umstimmen lassen. Also gab er seinen zwei ebenfalls wachenden Gardisten einen Wink und sie entließen uns in das Dunkel des Waldes.
    »Verflucht, Deckard!«, schimpfte er in energischem Flüsterton. »Was soll das?«
    »Ich habe keine Ahnung«, gestand ich. Ich wusste nur, dass ich auf keinen Fall riskieren konnte, Lia alleine in den Wald zu lassen – und ich traute ihr zu, sich notfalls allein davonzuschleichen, wenn niemand mitkommen wollte.
    Der Himmel war nahezu wolkenlos in dieser Nacht und der Mond schien durch die Baumkronen viele Tausend Schrittlängen über uns. Der Wald war ein Gebilde aus silbrigem Licht und finstersten Schatten.
    Lia führte uns zielstrebig durch das Gewirr aus Stämmen und Hölzern, über trockenes Laub und glitschiges Moos, immer tiefer in den Wald hinein. Wir folgten ihr beharrlich, ich beinahe ergreifend fasziniert, Hermelink schmollend und still. Die Vögel der Nacht riefen ins Dunkel hinein und Tiere huschten raschelnd durch das Unterholz, doch Lia ließ sich nicht beirren und führte uns immer weiter.
    Ich konnte schlecht schätzen, wie viel Zeit seit unserem Aufbruch vom Lager tatsächlich vergangen war, als wir vor uns einen schwachen Lichtschimmer sahen.
    Der Soldat in Hermelink kam augenblicklich zum Vorschein. Ein leises Schleifen verriet mir, dass er sein Schwert aus der Scheide zog. Ich tat es ihm gleich. Nur der Vorsicht halber. Wir wagten uns noch einige Schrittlängen vor, dann blieb Lia stehen und legte mir die Hand auf den Arm.
    »Verschreckt sie bitte nicht!«, sagte sie und ging in die Hocke, um vorsichtig weiterzupirschen. Wir kamen an den Rand einer Senke. Mittlerweile auf allen Vieren kriechend lugten wir über den Rand. Und was wir sahen, war … wunderbar. Im wahrsten Sinne.
    »Das sind Mooskinder«, hauchte Hermelink, völlig gefangen von dem, was er sah. Sein soldatisches Gehabe war vergessen.
    Dort unten befand sich ein Gewässer. Ein kleiner Teich oder vielleicht ein Tümpel, der silbern leuchtete wie das Mondlicht. Und wie um ein großes Lagerfeuer tanzten die Mooskinder im Schein des Wassers um ihn herum. Kleine menschenähnliche Geschöpfe, sie wirkten beinahe wie Kinder mit großen Hüten aus Laub und einer Kleidung aus Moos und Farnen. Sie sangen einen kaum hörbaren Reigen in einer Sprache, die ich nicht kannte.
    »Fainskinder«, flüsterte Lia begeistert. »Ich habe so lange

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