Dorn: Roman (German Edition)
Bürgermeister und sehr beliebt. Alen ließ ihn aufstellen, weil er ihn für weise und milde hielt. Eine interessante Wahl. Schließlich stammte auch König Hroth aus dem Seenland, ja sogar aus derselben Stadt. Als einziges Fürstentum war es demokratisch geordnet. Mein Vater hatte das stets bewundert, aber auch betont, dass er es nicht ertragen würde, wenn die Familie von Falkenberg einst auf ihre Herrschaftsansprüche verzichten müsste. Nicht, weil er auf die Machtfülle eines Markgrafen bestand, sondern, weil er der Meinung war, das Volk könne sich einen gefährlichen Populisten wählen, der zu sehr auf sich und zu wenig auf das Volk schaue.
Ich, Deckard von Falkenberg würde niemanden ins Rennen um den Thron schicken. Mich selbst zur Wahl zu stellen, wäre töricht, weil ich keine lebenden Verwandten mehr hatte. Niemand hätte den Sitz auf Burg Tanne übernehmen können, wenn ich in Anselieth residieren und regieren würde. Und außerdem wollte ich das – bei den Göttern – um nichts in der Welt!
Das Gemurmel im Saal erstarb. Begleitet von einem leisen Trommelwirbel betraten Königswitwe Kalperia und Ordensmeister Amondo das Podium. Dann stellten sich links und rechts eines jeden Einganges zum Saal Wachen vom Orden der Steinernen Hand auf – und ich wusste, dass auch von außen Wachen Position bezogen hatten. Schließlich erhob Großmeister Amondo seine Stimme, die ich immer noch als beeindruckend durchdringend empfand.
»Hohe Häuser des Ehernen Reiches. Tradition, Gesetz und Protokoll verlangen die hier eingetretene Versammlung. Sie wird solange tagen, bis ein neuer Großkönig oder eine neue Großkönigin daraus hervorgegangen sein wird. Dabei haben sich fünf von sechs Fürstentümern auf diese eine Person zu einigen.
Sollte an diesem Tage keine Einigung erzielt werden, wird dieses Konklave von heute an Tag für Tag zusammentreten, um sich zu beraten und einen neuen Herrscher oder eine neue Herrscherin über das Eherne Reich zu finden.«
Er blickte mahnend in die Runde. Alles schwieg.
»Alsdann«, fuhr er fort, »erkläre ich dieses Konklave für eröffnet, sobald im Saal gemäß dem Protokoll der Hymnus des Aan abgesungen wurde. Bitte erhebt euch dazu!«
Jeder kam dem nach, sofern er nicht bereits stehend verweilte. Ein leises Horn setzte an und die mehreren Dutzend Anwesenden fielen gemeinschaftlich in die Melodie ein. Es war einer der sehr wenigen Momente, die einen noch glauben machten, das Eherne Reich sei die feste politische Einheit, die es so gerne wäre.
Fürst Aan rief einst die Menschenvölker
unter seinem Banner kühn
Da sein Traum und Herzenssehnsucht
dereinst wahr geworden schien:
Ein Reich in unserm Lande Dorn
Wie Brüder, ehern und verschwor’n
Nachdem der Kantus verklungen war, begann schließlich das Konklave.
Und trotz der wenigen verbliebenen Fürstentümer im Reich, sollte es sich aufreibender als je zuvor gestalten.
Nach und nach wurden die Häuser aufgerufen, Vorschläge anzubringen, wer der nächste Großkönig über das Reich zu sein hatte.
Zuerst trat Alen Wetmann auf das Podium. Ebenso streng wie gutmütig blickte er um sich und hob an.
»Hohe Häuser des Ehernen Reiches. Als neuen Großkönig über das Reich und seine Fürstentümer möchte ich Atrus von Pjern zur Wahl stellen. Dieser Mann regierte bereits die vergangenen Jahre weise über die große Stadt Pjern, wird vom Volk geliebt und lässt in seinem Amt große Gerechtigkeit walten.
Der Blick in die Geschichte gibt uns recht. Tatsächlich stammten vier der bisher dreizehn Großkönige und -königinnen aus dem Seenland. Dort wird Langmut großgeschrieben und eben dieser wird den Menschen des Reiches immer zugute kommen.«
Alles schwieg, während Alen das Podium verließ.
»Ich rufe das Haus zu Falkenberg auf«, verkündete Amondo.
Ich sparte mir den Weg zum Podium, erhob mich stattdessen in der Loge. Laut und deutlich sprach ich das Nötigste: »Hohe Häuser des Ehernen Reiches. Das Haus zu Falkenberg stellt niemanden zu dieser Wahl auf.«
Mehr war nicht zu sagen.
»Das ist auch besser so«, krähte Serion von Gamar, gerade laut genug, dass jeder im stillen Saal es hören konnte. Gelächter hellte hier und dort auf.
»Ruhe!«, befahl Amondo. »Ich erinnere die Hohen Häuser daran, dass ich als Großmeister des Ordens der Steinernen Hand berechtigt bin, Mitglieder des Konklaves von diesem auszuschließen, wenn sie durch respektloses Verhalten das Konklave stören sollten. In dem Fall ist dieses
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