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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Konklave tagte noch, als ich Tomsquill befahl: »Sage bitte alle Audienzen und Gerichtssitzungen für heute ab und sorge dafür, dass zwei Handvoll Ordensleute zu Pferde in einer Stunde am Nordtor des Palastes bereitstehen!«
    Der schlanke Tomsquill nickte eifrig und machte sich von dannen. Er stellte keine Fragen, das war gut so.
    Ich selbst ging in mein Gemach und zog mich wetterfest an, denn draußen zeichnete sich die Welt grau in grau.
    Sicherlich wäre ich schneller gewesen, wenn ich der Männer und Frauen des Ordens nicht bedurft hätte, doch sei’s drum. Dem Orden konnte ich trauen. Sie würden mir die Treue halten, so, wie sie es einem König gegenüber tun würden. Und ich brauchte Schutz dort draußen. Ich wollte nicht riskieren, Schekich oder wer weiß wem in die Hände zu fallen. Selbst, wenn er sich gar nicht in der Hauptstadt aufhalten sollte, nagte die Unsicherheit an mir. Ich hatte diesen Kerl wütend gemacht – und man machte besser andere Leute wütend als gefährliche Attentäter.
    Die Zehn Ordensleute standen im Hof vor dem Nordtor versammelt. Wartend auf ihren Pferden mit erhobenen, kurzen Lanzen, während ihnen dünner Regen um die Ohren geweht wurde. Er war durchsetzt mit der salzigen Gischt des Meeres. Ein Page hielt meine Fuchsstute Merva bereit. Ich saß auf.
    Die Anführerin des Trupps, eine gewisse Kelmina, fragte, wohin ich zu reiten gedachte.
    »Die Elbenstadt«, sagte ich. »Ich möchte in die Elbenstadt.«
    Die Loyalität der Ordensleute war beeindruckend. Kein Murren, kein Raunen ob ihres neuen, unsicheren Befehlshabers. Kelmina gab einige kurze Befehle und schon ritten wir in geschlossener Formation zum Nordtor hinaus, den breiten Weg an den Klippen hinab und durch die schlammigen Straßen der Stadt. Wir durchquerten das Aristokratenviertel und den Markt, überquerten die Brücken und das Handwerkerviertel. Dort bogen wir in Richtung des Flusses ab und kamen in dessen unmittelbarer Nähe zu stehen.
    Hier lag, was die Einwohner Anselieths gelegentlich die Elbenstadt nannten. Eigentlich war es lächerlich, denn ganz Anselieth war einst eine Stadt der Elben gewesen. Sie trug sogar noch ihren elbischen Namen. Doch seit nunmehr über dreihundert Jahren gehörte sie den Menschen. Die wenigen Elben, die noch hier lebten, übten häufig niedere Arbeiten aus. Warum sie geblieben waren, wusste niemand so genau. Sie wurden wie Menschen zweiter Klasse behandelt, auch wenn ihnen laut Gesetz dieselben Rechte wie anderen Bürgern des Ehernen Reiches zustanden.
    Vielleicht lebten noch fünf oder sechs Dutzend Elben hier und die allermeisten von ihnen am Ufer des Flusses. Einfache Baracken, kaum mehr als Bretterverschläge. Sie waren oft in die Böschung oder in die Bäume hineingebaut, die in den Fluss hineinragten. Das wenige pflanzliche Grün, das ein Moloch wie Anselieth zu bieten hatte, befand sich hier.
    Grün waren außerdem die Spuren des Elbenglases, das an manchen Stellen zur Unterstützung der oftmals gewagten Konstruktionen eingesetzt wurde. Es war ein grünlich schimmernder, aber ansonsten kristallklarer Werkstoff, dessen Verarbeitung allein den Elben vorbehalten war. Nicht etwa, weil es anderen Personen verboten war, sondern weil niemand um die Kunst wusste, mit der sich Elbenglas bearbeiten ließ. Die Leute munkelten etwas über schreckliche magische Rituale, die mit dem Blut von entführten Kindern zu tun hatten. Aber das war nicht mehr als belangloses Geplapper und wurde von mir auch entsprechend abgetan. Wenn ich an Lia dachte, kamen mir die Elben derart eigenartig vor, dass es meiner Auffassung nach kein Wunder war, wenn sie über das ein oder andere unergründliche handwerkliche Talent verfügten. Hier in der Elbenstadt war es nur das Glas, das hier und dort als Baustoff durchschimmerte.
    Die Elben hatten eine eigene Wache organisiert, die die Straßen und Wege im Auge behalten sollte, um marodierende Banden fernzuhalten.
    Zwei schlanke Gestalten in grauen Mänteln hielten Speere mit seltsam gebogenen Spitzen überkreuzt. Als sie erkannten, wer sich näherte, gaben sie den Weg jedoch ohne zu zögern frei.
    »Wer spricht für euch?«, wollte ich wissen.
    Die beiden sahen sich kurz an. Waren die Elben tatsächlich stumm geworden?
    »Wer von euch Elben in Anselieth hat am meisten Einfluss?«, fragte ich mit etwas mehr Nachdruck. »Ich muss mit ihm sprechen. Es ist dringend.«
    »Minelglain der Graue, Herr«, sagte schließlich einer der beiden Elben knapp, ohne mir in die Augen

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