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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Schönrednerei.
    Ich wusste nicht, dass man in der letzten Sekunde die Loge von König Hroth mit derjenigen meiner Familie getauscht hatte, weil man von dort einen angeblich besseren Blick hatte. Also kam ich zu spät und schneite zuerst beim König in die Loge, um mich dann, nach einer nicht unerheblichen Menge gestammelter Entschuldigungen, nach der eigentlichen Loge umzusehen.
    Und in diesem Moment ging alles in die Luft. Bis heute weiß ich nicht wer und auch nicht wie es geschehen ist. Aber irgendjemand hatte einen hinterhältigen Anschlag auf den König geplant – mit einem Sprengmittel.
    Und um das Unglück noch bitterer zu machen, hatte sich auch noch Esja bei meinen Eltern aufgehalten.
    Ich hatte mich noch nie in meinem Leben so verloren gefühlt.«
    Das Erzählen nahm mich derart mit, dass ich mich dabei erwischte, wie ich außer Atem keuchte.
    Ellyn starrte mich fassungslos an.
    » Das ist dir passiert?«, fragte sie. Ihre Worte waren so überflüssig wie Staub und sie bemerkte es im selben Augenblick.
    »Das ist die Geschichte hinter meiner Fassade«, nickte ich.
    Schweigend ergab ich mich dem Regen. Der Wein im Becher auf der Brüstung war längst viel zu dünn, mein Hemd viel zu nass.
    »Komm rein!«, sagte Ellyn. Es klang besorgt. Besorgt auf eine Weise, wie sie seit zwölf langen Jahren niemand mehr mir gegenüber gezeigt hatte.
    Ellyn sah sich kurz in meinem privaten Gemach um und fischte schließlich eine Decke aus grober Wolle von einer Truhe, um sie mir um die Schultern zu legen.
    »Wie ging es weiter?«, wollte sie wissen, drängte sanft.
    »Ich war der jüngste Markgraf der Geschichte des Reiches. Von einem auf den anderen Moment.
    Natürlich wurde ich von allen Seiten umsorgt, man versuchte mir irgendetwas von dem Schrecken zu nehmen, allen voran Königin Kalperia voller Herzensgüte. Doch ich war betäubt von den Ereignissen um mich herum. Betäubt von Schmerz und Trauer, die sich in meine Eingeweide fraßen wie hungrige Tiere.
    König Hroth zeigte sich in der nachfolgenden Zeit tief betroffen und auch verantwortlich. Er ließ meine Familie sogar in den königlichen Krypten beisetzen. Aber das hast du ja gesehen.«
    Ellyn blinzelte mir mit beiden Augen zu, vergebens darum bemüht, mich aufzumuntern. »Ja, es ist mir aufgefallen und deshalb musste ich dich einfach fragen, was es damit auf sich hat.«
    Hilflos stand ich im Raum, tropfte auf die steinernen Fliesen. Ich hatte meine Seele vor der Tochter desjenigen Mannes ausgebreitet, der mich vielleicht am wenigsten leiden konnte. War das klug gewesen?
    Auf der anderen Seite: Was konnte es mich schon kosten, außer ein wenig Würde? Und die besaß ich ja in Serions Augen ohnehin nicht. Es hatte gut getan, über all das zu sprechen. Vielleicht würde ich es noch einmal tun, vielleicht mit Hermelink. Er hatte stets ein offenes Ohr.
    Ellyn näherte sich mit vorsichtigen Schritten.
    »Du bist ein bemerkenswerter Mann, Deckard von Falkenberg. Auch, wenn du es vielleicht selbst nicht so siehst.«
    Ein kurzes Lied von wenigen Worten kam von ihren Lippen. Ihre Stimme klang wie der Sommer, der sich in den Herbst verabschiedete.
    Lass die Hoffnung niemals sinken
    Lass dein Streben niemals ruh’n
    Dereinst werden uns’res Geistes Kinder
    Dienst an uns’rer Zukunft tun
    Dann war sie nahe genug und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Flüchtig, beinahe nur ein Versprechen.
    »Sanfte Wege, trauriger Graf«, hauchte sie und ging zur Tür. Ich hielt sie nicht auf – dazu wäre ich gar nicht in der Lage gewesen in meinem Zustand.
    »Sanfte Wege«, murmelte ich ihr zum Abschied hinterher.
    »Ach.«
    Ellyn drehte sich noch einmal um. »Bevor ich es vergesse: Mein Vater wollte dich morgen am frühen Nachmittag aufsuchen – ich schätze mal, es geht um seine Verschwörungstheorie. Ich dachte nur, ich warne dich vor.«
    »Danke«, sagte ich milde, obwohl die Aussicht auf ein Privatgespräch mit Serion nicht einmal im Ansatz als dankenswert erschien.
    Ellyn verschwand und die Wirklichkeit einer trauernden Welt hatte mich wieder.

Kapitel 8
    Wie ein Mann zum Verräter wird
    Das Tageslicht strömte bereits durch die Fenster, als ich erwachte. Die Erschöpfung des Erzählens lastete auf mir, so schwer wie der gesamte Kontinent Dorn.
    Ich schälte mich aus dem Bettzeug und schlang einige viel zu fettige Bestandteile meines Frühstücks hinunter, bevor ich mich ins Arbeitszimmer des Königs aufmachte.
    Kaum war ich angekommen, erwartete mich der erste Besucher.

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