Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
Vom Netzwerk:
nämlich satt …«
    »… aber du kommst nicht davon weg, richtig? Einmal als Erbe oder Erbin eines Markgrafen geboren, ist das dein Lebensweg. Du musst irgendwann irgendwen regieren, ob du dafür gemacht bist oder eben nicht.«
    Sie hob eine Augenbraue.
    »Bist du denn dafür gemacht, Deckard?«
    »Wer ist schon dafür gemacht?«
    »Unsinn«, sagte sie energisch. »Natürlich bist du dafür gemacht. Niemand, den ich kenne, ist besser fürs Regieren geeignet als du, der einfach nur für seine Leute da sein will.«
    »Danke, ich-«
    »Du hättest dich verflucht noch mal zur Wahl stellen sollen.«
    Beinahe erschrocken blickte ich drein. »Um nichts in der Welt.«
    »Eben«, meinte Ellyn entschieden.
    Ich schüttelte den Kopf und dachte, ich hätte mich verhört.
    »Was heißt eben ?«
    » Eben heißt, dass es aber irgendwer machen muss. Und zwar am besten so wie du es gemacht hättest.«
    Der Gedanke war eigenartig.
    »Und dieser jemand bist du?«, folgerte ich.
    Ellyn nickte entschlossen.
    Sie sah sich also als jemand, der für das Volk regierte, anstatt über das Volk zu verfügen? Das mochte vielleicht so sein, aber ich kam nicht darüber weg, dass sie aus dem Hause von Gamar stammte. Aus dem Hause desjenigen Menschen, der – wie sie selbst sagte – ernsthaft glaubte, ich würde hier eine Art Intrige spinnen.
    »Bist du nicht auch bloß jemand, der seinem eigenen Leben entfliehen will?«, fragte ich vorsichtig.
    »Was meinst du?«
    »Du willst nicht an der Spitze von Gamar sitzen und der einzige Ausweg, den du siehst, ist der Thron des Ehernen Reiches.«
    »Das spielt sicher keine unbedeutende Rolle bei meiner Entscheidung«, gab sie zu. »Aber auch in Gamar hätte ich anders regiert, als mein Vater es tut. Diejenigen, die ich regiere, sind keine Untergebenen, sondern in erster Linie Menschen. Sie haben Bedürfnisse, Familien, sie lieben und hassen und freuen sich wie Menschen es nun einmal tun. Sie sind nur durch Geburt dazu verdammt, dienen zu müssen.«
    Sie sagte das alles mit einer derartigen Inbrunst, dass ich gar nicht anders konnte, als ihr zu glauben. Ob Serion sich bei seiner eigenen Tochter verschätzte? Dachte ich daran, wie ich ihn kannte, schien es durchaus möglich. Gern hätte ich die Diskussion an dieser Stelle noch vertieft, doch es klopfte. Und herein kam das Essen, dass ich geordert hatte.
    Auf einer großen Platte hatte man für uns eine Auswahl diverser Köstlichkeiten zusammengestellt. Angefangen von einem mit Orangen und Ingwer gefüllten Putenbraten, über diverse Medaillons von Lamm oder Rind, bis hin zu einigen erlesenen Gemüsesorten. Darunter die kleinen Erdäpfel aus dem Marschland von Gramenfeld in einer feinen Kruste mit Speck. Es gab außerdem in starkem Met flambierte Birnen und diverse Käsesorten mit Preiselbeerkompott. Dazu eine große Tischkaraffe mit dem hellen Ammhauser, den ich hier gerne trank.
    »Und jetzt würde ich das Genörgel über das Dasein als Adeliger gerne für eine Weile vergessen«, befand Ellyn. Und wir aßen eine erstaunliche Menge der dargebotenen Köstlichkeiten.
    Einige Zeit später nippten wir bloß noch ab und zu an unserem Wein und sahen ins Flackern der Kerzen um uns herum.
    Ellyns Augen wanderten zur Balkontür. Sie erhob sich und riss die Vorhänge auf. Frische, kühle Luft strömte in das Zimmer. Leise hörte ich den Regen draußen prasseln.
    »Es ist schon merkwürdig«, hauchte sie in die Nacht hinein. »Ausgerechnet die Kinder der beiden Hohen Häuser, die sich spinnefeind sind, essen friedlich miteinander zu Abend.«
    »Du vergisst, dass ich schon längst Herr meines Hauses bin«, ergänzte ich neckend.
    Ellyn drehte sich um, trank einen Schluck Wein und sah mich herausfordernd an.
    »Was bist du, Deckard? König willst du nicht sein, aber weniger als ein Markgraf auch nicht.«
    Ich stand auf und ging zu ihr, um mich ebenfalls in den Durchgang zum Balkon zu stellen.
    »Ich bin, was ich bin«, sagte ich. »Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Kein König und auch kein einfacher Mann. Und es ist meine Pflicht, mich jeden Tag aufs Neue daran zu erinnern.«
    »Du bist aufrichtig«, meinte sie. Es klang völlig ernst aus ihrem Mund. »Und das bewundere ich zutiefst.«
    »Ich bin, was ich bin«, wiederholte ich nur und nahm noch einen Schluck vom Ammhauser.
    Der nächtliche Regen ließ die Stadt unter uns beinahe verstummen. Nicht viele Leute wollten bei diesem Wetter vor die Tür. Das Rauschen des Meeres drang von den Klippen her an mein Ohr.

Weitere Kostenlose Bücher