Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
Vom Netzwerk:
ist ja unfassbar«, rief Leonhrak völlig außer sich und drückte Lia wieder an sich. »Dich schicken, die Götter, Elbin! Dich schicken alle Götter!«
    Lemander neben mir hingegen raunte vor dem einsetzenden Trubel verschmizt etwas in meine Richtung.
    »Sieh einer an«, meinte er. »Die größten Geheimnisse können oft so simpel sein. Man muss den Nollonar einfach bloß berühren, um seinen Bann zu brechen.«
    Nach und nach erlangte jeder der Nordmänner sein natürliches Alter zurück. Und auf einmal reiste ich mit zwei Dutzend kräftigen und überaus bärtigen Männern, deren Freude überschwänglich war. Sie waren von ihrem Fluch erlöst. Die Alte Magie war auf unserer Seite – oder zumindest fühlte es sich dieses Mal so an. Angestachelt von ihrer wiedererlangten Stärke legten sich die Nordleute kräftig in die Riemen.
    »Verblüffend, wie einfach es doch war«, resümierte Lemander erneut mit einem spitzen Lächeln. Auch bei ihm machte sich merklich Erleichterung breit.
    »Jetzt werden wir die Nollonin in unsere Heimat bringen – und alles wird gut«, rief Leonhrak begeistert über das Schiffsdeck. »Unsere Familien werden wieder jung, unser Volk wird nicht vergehen. Wir werden bestehen und stolz wie einst werden.«
    Ja, die Alte Magie war auf unserer Seite, wenn man es so wollte. Doch wo war sie all die Jahrzehnte und Jahrhunderte bloß geblieben? Ich dachte an das, was Lemander über König Aans Hofmagier gesagt hatte. Mundus war sein Name gewesen. Es gab tatsächlich einige Geschichten über ihn, die recht ungewöhnlich klangen. So sollte er zum Beispiel einmal die Statuen, die die Elben in Anselieth gelassen hatten, zum Tanzen gebracht haben, um ein schillerndes Fest zu krönen. Ein andermal sollte er einen kleinen Wald mittels seiner magischen Kräfte an einen anderen Ort versetzt haben, weil er strategisch ungünstig lag, bevor Aan in eine Schlacht gegen die Elben zog. Was an diesen Geschichten wahr und was bloße Fantasie war, war kaum zu unterscheiden. Fest stand nur, dass diese Geschichten weit, weit entfernt von dem waren, was diejenigen zu tun vermochten, die sich heute noch Magier nannten. Was war geschehen? War den Menschen die Magie auf ihrem Weg durch die Zeit verloren gegangen? So, wie Kinder die Krümel eines süßen Kuchens auf dem Weg verloren, während sie den Rest hastig aufaßen?
    Mit der Ruderkraft der Nordmänner sausten wir nur so über den großen Strom der langen Ronar.
    Die verjüngten Nordmänner sprühten nur so vor Lebensenergie. Lia behandelten sie wie eine Prinzessin. Wenn sie über Deck kletterte, fand sie überall helfende Arme und Hände. Überall wurde ihr anerkennend auf die Schulter geklopft und in kurzen persönlichen Gesprächen ließ man ihr tiefe Dankbarkeit zuteil werden.
    »Was ein Glück, dass wir einen Verräter an Bord haben«, schmetterte Leonhrak und gab mir einen freundschaftlich gemeinten Klaps auf den Rücken, der mich beinahe umfallen ließ.
    Immerhin haben wir überhaupt etwas erreicht , versuchte mich mein Gewissen über meine Verluste hinwegzutrösten. Zumindest ein kleiner Lichtstreifen in der dunklen Nacht meiner Seele.
    Nur wenige Stunden nachdem wir die Grüne Weiche und ihre Stromschnellen passiert hatten, hielten wir und gingen das erste Mal seit unserer Abfahrt aus Anselieth an Land. An einer weiten Flussbiegung war über Jahre hinweg eine großflächige Kiesbank angespült worden, die ideale Bedingungen für einen Landgang bot. Zwar tat es gut, sich endlich einmal wieder die Beine abseits des schwankenden Schiffsdecks vertreten zu können, aber der Zweck des kurzen Landaufenthaltes war ausschließlich einer: Kochen. Sehr zum Leidwesen der beiden Gänse, deren leises Geschnatter nun für immer verstummen sollte.
    Nach diesem kurzen Aufenthalt legten sich die Nordmänner jedoch gleich wieder in die Riemen. Trotz der Feierlaune ob ihrer wiedergewonnenen Jugend durfte keine Zeit verloren gehen. Erst als am späten Abend die Dunkelheit über uns hereinbrach, wurde davon abgelassen.
    Der Mond schien voll und hell, also entschied Kapitän Korl, dass die Skrara unter Segel bleiben sollte. Die Dunkelheit senkte sich vollends über das Harjennerschiff, während wie die ersten Ausläufer des leuchtenden Moors passierten. Hier, im größten Sumpfgebiet des Reiches, hatte die Ronar im Zusammentreffen mit den Ausläufern des Großen Kamms nach und nach eine Fläche von mehreren Tages-, wenn nicht gar Wochenmärschen in sumpfigen Morast verwandelt. Das

Weitere Kostenlose Bücher