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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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der vielleicht zwanzig Gestalten stand der Herrscher der Riesen: König Ruhman. Er überragte seine Männer noch einmal um eine Schrittlänge und war auch erheblich breiter gebaut. Eine wirklich mächtige Erscheinung! Sein Helm war mit riesigen Hörnern bestückt – vielleicht von den Auerochsen, die dem Vernehmen nach im Riesenreich lebten. Große Tierschädel dienten ihm als Schulterplatten und an einem breiten Ledergürtel hing ein Schwert, so groß wie ein Mann. Von den übrigen Riesen hatten nur wenige Schwerter. Die meisten von ihnen waren mit kunstvoll verzierten Keulen oder riesigen, zweischneidigen Äxten bewaffnet, deren Axtblätter groß wie Fassdeckel waren.
    »Fjelding!«, dröhnte die Stimme des Riesenkönigs tief und volltönend über die Ebene. In seinen Augen lag ein rötlicher Schimmer, ein irrer Glanz ging von ihnen aus.
    »Hier bin ich«, rief der König der Harjenner als Antwort hinunter. »Warum bedrängst du mein Land, Ruhman?«
    Der Riese bellte lachend – und sehr, sehr bitter.
    »Fjelding, Fjelding«, ließ er schließlich tadelnd vernehmen. »Du hast mein Volk aus deinem Land gejagt, hast sie verfolgt und geächtet.«
    »Unsinn!«, entgegnete Fjelding. »Deine Artgenossen haben angefangen, sich wie marodierende Irre aufzuführen. Sie haben die Herden der Bauern abgeschlachtet und halbe Dörfer in Schutt und Asche gelegt. Wir haben all die Jahrhunderte friedlich nebeneinander gelebt. Sag mir, Ruhman, was haben wir euch getan, dass wir das hier verdienen?«
    »Du hast mein Volk von dieser Insel vertrieben«, antwortete der Riesenkönig, als ob er kaum zugehört hätte. »Und es gibt nur einen Weg, dies zu sühnen: Wir werden eure große Stadt nehmen und aus ihr die gewaltigste Festung meines Volkes bauen, die man in Dorn je gesehen hat. Und es wird den Menschen zum Zeichen gemahnen, meinem Volk nie wieder ein Leid anzutun.«
    »Hör mich doch an!«, schrie Fjelding außer sich. »Gerne dürft ihr euch wieder auf Jorhammer niederlassen. Ihr dürft euch eine Festung bauen, sogar eine ganze Stadt, wenn es sein muss. Aber weder an diesem Ort, noch zu Lasten meines Volkes. Halte deine Riesen in Zaum, Ruhman, dann werden wir friedlich nebeneinander leben wie in alten Zeiten!«
    »Lügner!«, bellte Ruhman. »Der Elb hat deine Heuchelei kommen sehen und mich davor gewarnt, Fjelding. Ich war hier, um dir und den Deinen eine letzte Chance zu geben, eure Stadt aus Holz lebend zu verlassen. Also frage ich dich: Wirst du uns Lukae überlassen, auf dass wir deine hölzerne Halle bewohnen und aus ihr die prächtigste aller Burgen bauen werden?«
    Es wurde still um uns, während Fjelding zögerte. Der Wind pfiff über die Ebene. Am Horizont lauerte das Verderben.
    Der Elb ! Ruhman hatte den Elb erwähnt! Die Spur von Linus’ Verderbtheit führte in der Tat von den Riesen bis hierher in den Norden. Von den Riesen, die dort standen, war niemand mit etwas beseelt, was man Herzensruhe hätte nennen können.
    »Nein, Ruhman«, sagte Fjelding schließlich laut und vernehmlich. »Niemals werden wir dir den Stolz unseres Volkes einfach überlassen. Wenn du dich wirklich auf ein Kräftemessen mit den Harjennern einlassen willst, dann trauert meine Seele schon jetzt um all die Toten unserer Völker. Aber so sei es.«
    »Also gut«, knurrte der Riesenkönig. »Ich habe dich gewarnt. Dann wirst du auch keine Chance bekommen, dein Volk in Sicherheit zu bringen! Wir werden dich und die Deinen blutig büßen lassen für euren Verrat.«
    Er bellte etwas in der Sprache der Riesen und seine Männer eskortierten ihn zurück zu der gewaltigen Armee. Wieder ließen sie ihre großen Hörner erklingen.
    Fjelding blieb einen Moment lang mit beinahe demütig gesenktem Haupt an der Brüstung stehen. Dann schlug er mit der Faust gegen das Tannenholz. Blut quoll aus seinen Knöcheln hervor.
    »Wir können dein Volk immer noch in Sicherheit bringen«, gab ich Fjelding zu bedenken.
    Der fuhr herum. »Hast du das Feuer des Wahnsinns gesehen, dass in Ruhmans Augen loderte?«
    Ja, das hatte ich, sagte dazu aber nichts.
    »Dann wirst du mir sicher zustimmen, wenn ich sage, dass wir nirgends sicher sein werden. Selbst wenn wir Lukae räumen.«
    Ich senkte den Blick. »Also sitzen wir hier fest?«
    Fjelding nickte entschlossen.
    Ich ergänzte: »Dann ist das hier wirklich das letzte Gefecht der Harjenner?«
    »Oder das der Riesen«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Sei es das Volk der Riesen oder das Volk der Harjenner. Am Ende

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