Dornen der Leidenschaft
Spanien zurück und übte inoffiziell wieder die Macht hinter dem Thron aus. Es gab viele Intrigen, und der öffentlichen Meinung nach würde nur ein starker Ehemann an Isabellas Seite die Einmischung ihrer Mutter in die Staatsaffären beenden können.
Schließlich fand am zehnten Oktober 1846 eine Doppelhochzeit statt. Die Königin heiratete ihren Vetter Don Francisco de Asís, Herzog von Cádiz. Und ihre Schwester und Erbin, Luisa-Fernanda, heiratete den fünften Sohn von König Louis-Philippe von Frankreich, den Herzog von Montpensier.
Die Eheschließungen waren nicht von Erfolg gekrönt. Es ging das Gerücht, daß Don Francisco nicht nur schwach, sondern auch impotent sei, und daß die Königin angefangen hätte, Liebhaber zu nehmen und ihnen hohe Regierungsposten zuzuschanzen. Noch schlimmer als das aber war, daß die Carlisten begonnen hatten, ihre Anrechte auf den Thron geltend zu machen. Der zweite Erbfolgekrieg brach aus.
Im ganzen Land herrschte Krieg, besonders in den baskischen und katalonischen Provinzen.
Das allerschlimmste aber war, daß die impulsive Königin, die immer sehr religiös gewesen war, von einer fanatischen, machthungrigen Nonne namens Sor Patrocinio beeinflußt wurde. Während des ersten Erbfolgekrieges war die angeblich wundertätige Nonne des Betrugs beschuldigt und mit einem glühenden Eisen gebrandmarkt worden. Sie hatte diese Schande niemals vergessen und stellte bei Hof, seit sie die Gunst Isabellas wiedererlangt hatte, eine große Gefahr dar.
Aurora, deren Großmutter ihr all das erzählt hatte, war deshalb sehr skeptisch, ob sie fähig sein würde, Isabellas Freundschaft zu erlangen. Trotzdem wußte das junge Mädchen, daß sie alles versuchen mußte. So gut wie möglich versuchte sie, den Besuch ihres Liebsten zu vergessen, und lächelte und hielt den Kopf hoch, als sie in den Audienzraum gebeten wurde und sich vor der Königin hinkniete.
»Ach, erheben Sie sich, Doña Aurora«, zwitscherte Isabella geistesabwesend, machte hinter ihrem Fächer einem der Generale schöne Augen und achtete kaum auf das junge Mädchen, das schon ein paar lange Minuten vor ihr gekniet hatte. Einzig das diskrete Hüsteln des Generals hatte die Königin zu ihrer Pflicht gerufen. Leicht enttäuscht wandte sie ihre Aufmerksamkeit schließlich Aurora zu. »Also … Sie sind meine neue Kammerzofe, nicht wahr?« fragte Isabella und fuhr dann fort, ohne eine Antwort zu erwarten. »Nun, hoffen wir, daß Sie nicht eine so große Enttäuschung werden wie die letzte … Wie hieß sie noch mal? Ach ja, Doña Pilar. Die arme Pilar. Sie hat sich umgebracht.« Die Königin seufzte wehmütig.
»Doña Pilar war eine Verführerin und Ketzerin« – sagte jemand, der direkt hinter Isabella stand – »und als solche war sie Ihrer Tränen nicht würdig.«
Aurora betrachtete die Frau, die es gewagt hatte, der Königin zu widersprechen. Es war nicht María Cristina, es war eine Nonne. Das mußte also Sor Patrocinio sein. Aurora zitterte unwillkürlich. Es schien ihr, als ob die Augen der Nonne ihr bis in die tiefste Seele blickten. Außerdem war etwas in Sor Patrocinios Blick, das Aurora sehr abstoßend fand. Wenn sie sich nicht täuschte, brannte in den Augen der Nonne eine unnatürliche Lust. Madre de Dios! Kein Wunder, daß immer wieder bei Hof geflüstert wurde, daß Isabellas Freundschaft mit Sor Patrocinio ein skandalöser Affront gegen die Kirche und gegen die menschliche Natur sei!
»Sie haben natürlich recht, liebe Sor Patrocinio«, sagte die Königin. Vielleicht um Aurora vor dem traurigen Schicksal Doña Pilars zu retten, fragte sie dann: »Haben Sie einen novio, Doña Aurora?«
»Nein, meine Königin«, brachte Aurora mühsam heraus. Es war nur die halbe Wahrheit. Aber hätte sie von ihrem Geliebten aus der Vergangenheit sprechen können?
Die Königin lächelte vergnügt wie ein Kind und klatschte in die Hände.
»Dann müssen wir sofort einen Verehrer für Sie finden. Don Juan« – sie winkte einen der Höflinge heran – »bitte zeigen Sie Doña Aurora den Park.«
»Mit dem größten Vergnügen, meine Königin«, antwortete der caballero gewandt.
Königin Isabella war sich also nicht zu schade, ihr Glück als Heiratsvermittlerin zu versuchen!
Wütend und eingeschüchtert und immer noch voller Angst vor Sor Patrocinio, achtete Aurora nicht auf den Namen des Höflings, der sie in den Garten begleiten sollte. Sie bemerkte nur, daß der Mann jetzt auf sie zukam, und es gelang ihr nicht einmal,
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