Dornen der Leidenschaft
einen Schatten, der schnell auf sie zukam.
Aurora schrie entsetzt auf. Sie wußte nicht, ob es ein Mensch oder ein Tier war, und floh blindlings in die entgegengesetzte Richtung. Die Gestalt kam hinter ihr her und warf sie zu Boden. Sie schnappte nach Luft und wehrte sich vehement gegen ihren Angreifer.
Salvador konnte nicht schlafen, und da er wußte, daß es keinen Sinn hatte, schlaflos im Bett zu liegen, erhob er sich und zog sich seufzend an. Wieder würde er eine lange durchwachte Nacht verbringen müssen – wie so oft seit seiner Ankunft in Esplendor. Wenn er nur Aurora aus seinen Gedanken verbannen könnte! Aber das konnte er nicht. Wenn sie in seiner Nähe war, gelang es ihm, höfliche Distanz aufrechtzuerhalten, aber wenn er sie nicht sah, kreisten seine Gedanken ständig um sie. Seine Sehnsucht, sie zu liebkosen, quälte ihn, und immer wieder spürte er, wie sie sich in seinen Armen anfühlen mußte.
Der Visconde wußte, daß er oft ungerecht zu ihr war. Viele ihrer Ratschläge waren sehr vernünftig. Häufig erkannte sie Dinge, die ihm entgangen waren. Das war ihm peinlich, denn er sah es als seine Pflicht an, ein kompetenter Manager zu sein, ganz besonders, da seiner Meinung nach Esplendor eigentlich Aurora gehörte. Er wollte das Beste für sie … aber er durfte sie nicht lieben. Dieser Gedanke schmerzte ihn sehr.
Er ging in den kleinen Salon und schenkte sich einen Whisky ein. Er leerte das Glas auf einen Zug, was er sonst nur sehr selten tat, und füllte es gleich wieder. Nach mehreren Drinks ging es ihm allmählich besser. Er hatte gar nicht so viele Fehler gemacht. Aurora und ihre unaufhörliche Einmischung machten die Arbeit in Esplendor so schwer. Eine Frau sollte sich fügen, selbst wenn sie intelligent war!
Ein Geräusch von draußen ließ den Visconde aufhorchen.
In den letzten Wochen war Salvador bewußt geworden, daß irgend etwas in Esplendor nicht stimmte. Immer mehr Löcher im Boden waren gefunden worden. Da er angeordnet hatte, daß die von Basilio ausgehobenen Löcher zugeschüttet werden sollten, war es klar, daß es sich um neugegrabene Löcher handelte. Irgend jemand suchte nachts auf dem Gelände nach dem Schatz. Es war bestimmt keiner seiner Männer, davon war der Visconde überzeugt. Salvador hatte Wachposten aufgestellt, aber bis jetzt hatten sie noch keinen der nächtlichen Schatzsucher gestellt.
Jetzt fluchte er leise vor sich hin. Por Dios! Wenn der Idiot, der nachts Löcher in sein Land grub, sich jetzt zu schaffen machte, würde der Visconde ihn stellen und seiner Schatzsuche endgültig ein Ende bereiten! Mit schwankenden Schritten trat Salvador nach draußen und starrte in die Dunkelheit. Sangre de Cristo! Es war ganz eindeutig Aurora, die mit schnellen Schritten in Richtung Dschungel davonging. Was, zum Teufel, hatte sie dort zu suchen?
»Ich werd’ es ihr zeigen«, murmelte er betrunken vor sich hin. »Ich werd’ es ihr zeigen, wer hier die Hosen anhat!«
Dann rannte er hinter ihr her.
Aurora schluchzte verzweifelt auf, als sie von der dunklen Gestalt zu Boden geworfen wurde. Ach, warum hatte sie das Haus verlassen. Sie hatte doch gewußt, daß ein Regensturm im Anzug war?
Jetzt würde sie getötet werden. Sie wußte es!
»Aurora!« rief der Visconde gegen den heulenden Wind an, als er das verängstigte, um sich schlagende Mädchen festzuhalten versuchte. »Aurora, ich bin es, Aguila!«
Es war ihr egal, wie er hergekommen war. Die Hauptsache war, daß er es war. Sie stöhnte erleichtert auf. Sie würde nicht von einem wilden Tier verschlungen werden! Ihr Widerstand ließ nach, und ihr Körper entspannte sich.
Salvador half Aurora auf die Beine. Zu betrunken und zu ärgerlich, um freundlich sein zu können, schob er sie auf den zugewachsenen Pfad zurück und suchte im strömenden Regen nach einer Art Unterstand. Aurora wußte, daß Aguila tatsächlich Augen wie ein Adler hatte, und bald fand er tatsächlich einen umgestürzten Baum, der auf einer Seite hohl war. Er zog sie dorthin und trat ein paarmal mit dem Fuß gegen den Stamm. Eine Schlange wand sich heraus und verschwand im Busch. Trotz ihrer Proteste schob der Visconde Aurora in die große Öffnung. Eng aneinandergepreßt fanden beide in dem hohlen Baumstamm Schutz vor dem niederprasselnden Regen.
Aurora zitterte und war sich sicher, daß irgendwelche Insekten ihre Beine emporkrabbelten. Salvador wollte sie wärmen und zog sie näher an sich heran und legte ihren Kopf gegen seine Brust. Sie
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