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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Dieser Angriff damals hat mich beinahe umgebracht. Er hätte mich töten können, wenn ich nicht sofort geflohen wäre. Alles, was ich bei diesem ersten Versuch herausfand, war, dass es etwas mit Liebe zu tun hat. Dass Liebe die Voraussetzung ist, und da ahnte ich, dass es bei Tessa und mir nicht funktionieren würde.«
    Richtig – deshalb hatte Colin bei unserem Abschied zu mir gesagt, dass diese zweite Methode bei Tessa nicht infrage käme. Und verschwiegen, dass es ihn das Leben kosten konnte, mehr über die Methode herauszufinden.
    »Du hast ihn wirklich ein zweites Mal aufgesucht? Obwohl er dich beinahe getötet hat?«, fragte ich, hin- und hergerissen zwischen Ehrfurcht und dem Bedürfnis, ihm eine Standpauke zu halten. Colin war tatsächlich nicht feige, aber besonders klug war er auch nicht.
    »Hatte ich eine Wahl?« Er lächelte schwach. »Ich hatte dir ein Versprechen gegeben. Und auch ich wollte es endlich wissen. Die Hoffnung stirbt nie, oder?«
    »Aber du hättest sterben können!«
    »Ja, das hätte ich. Nur meiner Konzentration und meiner Schnelligkeit habe ich es zu verdanken, dass ich heil aus diesem Angriff auf seinen Kopf herauskam – und der Tatsache, dass er gerade dabei war, satt zu werden. Wenn wir satt werden, sind unsere Reaktionen verlangsamt. Dazu kam die immense Beherrschung, die ich aufbringen musste, um nicht selbst von dem Traum zu kosten …« Unwillkürlich leckte sich Colin über die Lippen. »Er war so köstlich …« Seine Augen loderten auf. Sein Hunger ließ sich allein durch Erinnerungen anlocken. Er würde bald jagen gehen müssen, wahrscheinlich schon in wenigen Minuten.
    »Dieser Mahr … war es einer der Ältesten oder der Älteste?«, lenkte ich seine Aufmerksamkeit wieder auf mich.
    »Der Älteste. Zumindest nehme ich das an. Von ihm habe ich alles erfahren, was ich über die Mahre weiß. Er hat es mir bereitwillig gesagt, ganz zu Anfang nach meiner Verwandlung, doch ich habe keine Ahnung, auf welcher Seite er steht. Wie bereits erwähnt: Wir können einander nicht in unsere Gedanken schauen.«
    »Wird er dich verfolgen?«, fragte ich bang. Es glich einem Wunder, dass Colin dieses Unterfangen überlebt hatte. Wenn Mahre sich im Fressrausch in die Quere kamen, ohne sich vorher zu gemeinsamen Raubzügen verbündet zu haben – und das taten nur wenige –, endete das meistens mit einem brutalen Mord, ganz egal, wie sie vorher zueinander standen. Auch das Opfer konnte dabei sein Leben verlieren.
    »Ich hoffe nicht, dass er das tut. Bisher hat er es nicht getan. Vielleicht wartet er darauf, dass ich von allein wiederkomme, weil ich noch mehr wissen will, doch so dumm bin ich nicht. Wäre es dir denn lieber, ich würde von einem Mahr getötet werden?« Die Frage war ihm ernst.
    »Nein! Nein, ich will dich lebend, so oder so!«
    »Und ich will lange genug leben, um dich in der jetzigen Situation beschützen zu können. Es wäre töricht, wenn ich die Mahre nun provoziere. Das sollte ich bleiben lassen, sofern wir deinen Vater finden wollen.« Colin legte eine kleine Pause ein, die er dazu nutzte, seine Augen zu schließen und in meditative Starre zu verfallen. Er versuchte, seinen Hunger einzudämmen. Schon begann ich den verführerischen Duft wahrzunehmen, der aus seiner Haut strömte, sobald sein Inneres nach Nahrung verlangte, und das Rauschen peitschte durch seine Adern. Ich wartete angespannt, bis er seine langen Wimpern wieder hob. Ein ironisches Lächeln lag in seinen Augen. »Nicht gerade eine Faschingsparty mit uns, was?«
    »Ich mochte Fasching noch nie. Colin, ich will Angelo nur ein bisschen beobachten und vielleicht mit ihm sprechen, nach Papa fragen will ich ihn gar nicht. Nicht so schnell. Immerhin ist er nicht vor dir weggelaufen, er hat dich sogar begrüßt! Du kannst gerne mitkommen, mich jederzeit beschützen und wegbringen, wenn es gefährlich wird. Von mir aus. Ich mag es zwar nicht, aber …« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich ihn nicht als mögliche Informationsquelle betrachten würde. Es geht hier um meinen Vater!«
    Colin wurde zusehends unruhig. Immer wieder schweiften seine Blicke nach draußen, wo es im Dickicht knisterte und raschelte. Vielleicht war er gar nicht mehr in der Lage, mit mir zu sprechen, also nahm ich sein Schweigen mal wieder als ein Ja. Er würde mich morgen Abend nach Pietrapaola begleiten. Nachdem er mich in dieser stockfinsteren Nacht in einer winzigen, steinigen Höhle alleine ließ,

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