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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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immer. Ich verstehe es nicht. Du scheinst eine Art Immunität zu besitzen, die ich mir nicht erklären kann.«
    »Auch Angelo hätte es längst tun können. Du hast doch gesagt, dass wenige Sekunden genügen«, gab ich zu bedenken. »Und dir gegenüber hat er sich nicht verhalten, als würde er dich in der nächsten Sekunde anspringen.« Die Begegnung von Colin und meinem Vater war wesentlich aggressiver und bedrohlicher ausgefallen, es hatte sogar ein Knistern in der Luft gelegen. »Ihr kennt euch, oder?« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Ich bin ihm mal in Deutschland begegnet, ja. Er wechselt wie die meisten Mahre von Zeit zu Zeit seinen Lebensmittelpunkt. Seine Aura ist so schwach und diffus, dass sie auch einem Menschen gehören könnte, deshalb habe ich ihn vorhin nicht sofort erkannt.«
    Eine schwache Aura. Das klang harmloser, als Angelo ohnehin auf mich gewirkt hatte, doch Colin sagte nichts Verkehrtes, wenn er behauptete, dass Mahre gut im Täuschen waren. François hatte ein nahezu perfektes Schauspiel hingelegt als schwuler Galerist – aber nicht so perfekt, dass Irritationen meinerseits ausgeblieben wären. Ich hatte immer gespürt, dass etwas mit ihm nicht stimmte. In Angelos Gegenwart hingegen hatte ich mich sogar entspannt gefühlt.
    »Hab ich das richtig verstanden: Du sprichst nicht mit anderen Mahren über meinen Vater, weil du Angst hast, dabei getötet zu werden? Das passt nicht ganz zu dem, was du mir abverlangen willst.«
    »Oh, jetzt willst du mich also als feige abstempeln?« Colin gab einen knurrigen Kehllaut von sich, mehr Belustigung als Ärger. »Das kannst du gerne, aber ich komme gar nicht dazu, sie zu fragen. Sie ziehen sich vor mir zurück. Ich meine sie zu wittern, doch wenn ich mich ihnen nähere, sind sie verschwunden. Ich weiß nicht, ob sie fliehen oder etwas aushecken. Viele sind es ohnehin nicht. Außerdem würde ich dir niemals zumuten, dass einer von ihnen mein Dasein beendet und du keine Chance hast, jemals davon zu erfahren. Ich möchte, dass du dabei bist und es ausführst, damit du Abschied nehmen kannst. Damit wir Abschied nehmen können. Ich will mich nicht killen lassen. Es soll eine Tat aus Liebe sein, nicht aus Hass.«
    Verdammt. Genau dieses Thema wollte ich doch nicht mehr streifen und das, was Colin gesagt hatte, war mehr als nur ein Streifschuss. Es war ein Schuss mitten ins Herz. Ich hasste Abschiede, erst recht Abschiede für immer.
    »Ich bin nicht feige, Ellie. Um mein Versprechen dir gegenüber einzulösen, habe ich mich in allergrößte Gefahr begeben. Ich habe die Formel dem Ältesten von uns abgezapft, während er raubte. Und es war nicht das erste Mal, dass ich bei ihm war. Vor langer Zeit hatte ich es schon einmal versucht. Damals hat er mich bemerkt, mich gepackt, bevor ich es vollenden konnte, und gegen eine Wand geschmettert.« Colin hob die Hand und fuhr mit dem Daumen über meinen Hinterkopf, genau dort, wo sich die dünne, geschwungene Narbe befand. »Schau, hier.«
    Er beugte sich nach vorne, bis das schwache Mondlicht auf sein schimmerndes Haar fiel. Es schien mir leichte elektrische Schläge zu versetzen, als ich es auseinanderfächerte und undeutlich eine feine, flache Narbe entdeckte, in exakt dem gleichen Schwung wie meine.
    »Deshalb warst du so … so niederträchtig zu mir, als du mir die Formel überbracht hast?«
    »Ja, genau deshalb. Ich ahnte, dass sich die alte Verletzung auf dich übertragen könnte, denn auch meine ist wieder aufgeplatzt, als ich mich ihm erneut näherte.«
    »Ich dachte, du kannst dir keine Narben zuziehen«, wandte ich ein. Wenn Colin sich verletzt hatte, war das Blut stets innerhalb von Sekunden versiegt und es war nichts zurückgeblieben.
    »Er ist so mächtig, Ellie … Er kann mir Narben zufügen. Ich wusste nicht, wie es sich bei dir auswirken würde, wenn du zu viel empfindest, während ich dir die Formel einpflanze, also wollte ich deine Gefühle auf das Schlechte reduzieren. Denn schon in deinem Traum von Tessa hatte sich etwas auf dich übertragen …«
    Oh ja. Das hatte es. Zwar kein Angriff eines Mahres, sondern ein Huftritt in den Bauch, aber es war geschehen, weil Colin und ich gedanklich miteinander verknüpft gewesen waren. Wann immer das geschah, schwächte oder verletzte es mich. Der Hufabdruck war inzwischen vollkommen verblasst, doch die Narbe auf dem Kopf war geblieben. Nicht nur bei ihm, sondern auch bei mir.
    »Zum Glück hat es dich nur gestreift, ich war schnell und gemein genug.

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