Dornenliebe
geäußert hat. »Man merkt, dass Papi dir alles zahlt und du dich noch nie wirklich nach anderen richten musstest.«
Katharina stemmt die Hände in die Hüften.
»Was hat das jetzt damit zu tun?«, fragt sie und zieht ihre Augenbrauen zusammen. Katharina sieht schon aus wie eine reifere Frau, denkt Luna; der figurbetonte Wollmantel hat bestimmt ein kleines Vermögen gekostet, aber sie bewegt sich darin, als stünde er ihr ganz selbstverständlich zu. Wahrscheinlich ist es besser, sich nicht mit ihr anzulegen, eine wie Luna kann dabei nur verlieren.
»Lass nur, ist schon gut«, beeilt sie sich zu sagen und schluckt den letzten Bissen ihres Cheeseburgers hinunter, das gummiartige Brötchen klebt an ihrem Gaumen, sie versucht, es zu lösen, ohne den Mund öffnen zu müssen, spürt die Blicke der anderen auf sich, während sie schlingt. »Ich bin sowieso fertig, wegen mir müsst ihr euch nicht streiten.« Schon steht sie auf und greift nach ihrem Schal, den sie gerade erst über einen Stuhl gelegt hat, zieht noch einmal an ihrem Strohhalm, ihre Cola ist nicht einmal halb leer. Katharina zuckt mit den Schultern und steuert den Ausgang an, die anderen folgen ihr.
»Mach dir nichts daraus«, raunt Jaron Luna zu, als auch sie sich in Bewegung setzen. »Katharina tut immer so affektiert, kann aber auch ganz nett sein. Was das Getue um den Schlagzeuger soll, weiß ich auch nicht, eigentlich steht sie mehr auf smartere, elegantere Typen.«
Ehe sie nach draußen treten, kommt Sarah auf Luna und Jaron zu und tippt Jaron an die Schulter, ehe sie Luna mit einem entschuldigenden Blick zu verstehen gibt, dass sie und Jaron einen Augenblick lang allein sein wollen. Luna schließt sich der Gruppe an, versucht aber, die beiden durch die Glasscheibe zu beobachten. Sarah scheint auf Jaron einzureden, gestikuliert wild mit den Händen, er jedoch wirkt verärgert, schüttelt den Kopf, zieht seine Augenbrauen zusammen und winkt ab, will zur Tür gehen, doch Sarah versucht, ihn zurückzuhalten, redet weiter. Dies wiederholt sich einige Male, bis sich Jaron schließlich losreißt. Als er wieder bei Luna angelangt ist, sieht er noch immer verwirrt aus, bewegt seine Lippen, als argumentiere er noch immer.
»Wenn ich dir irgendwie helfen kann, sag’s mir«, bittet Luna, sie wagt nicht zu fragen, ob Jaron und Sarah über sie geredet haben, aber eigentlich ist sie sich sicher. Jaron winkt ab.
»Quatsch«, faucht er und beschleunigt seinen Schritt, blickt stur auf den Gehweg zu seinen Füßen. »Irgendwie spinnen sie heute alle. Beeilen wir uns, damit wir noch was vom Abend haben.«
Luna ist froh, als sie am Pfefferberg angekommen sind. Katharina stellt sich sofort ganz vorne an den Bühnenrand und beachtet niemanden mehr, sondern sieht nur noch der Band zu, die so laut spielt, dass auch von den anderen kaum mehr jemand spricht. Jaron entdeckt zwei freie Sitzplätze an einer Wand gegenüber der Bühne und führt Luna hin, bleibt kurz an ihrer Seite, dann holt er an
der Theke Bier, einen halben Liter für jeden von ihnen. Luna trinkt mit tiefen, durstigen Zügen ihr Glas gleich zu zwei Dritteln leer, nach dem Essen und der kalten Luft draußen fühlt sie sich beinahe wieder nüchtern. Jaron beobachtet sie, blickt besorgt, schaut dann schnell wieder weg, auch er bleibt wortkarg und scheint nur noch der Musik zu lauschen, deren Genre Luna nicht einzuordnen vermag, Bass und Schlagzeug dröhnen in ihrem Kopf und vermischen sich zu einem brüllenden Chaos, sie lehnt ihren Kopf gegen die Wand und schließt die Augen, Thore hat solche Musik gemocht, schrill und wild, oft hat er dazu Luftgitarre gespielt und seine langen Haare hin und her geworfen, als stünde er selbst auf der Bühne. Luna spürt plötzlich Tränen hinter ihren geschlossenen Lidern aufsteigen, wie gern würde sie jetzt allein sein, fort von hier, es ist alles zu viel, die neuen Bekannten, das Berliner Nachtleben, der Alkohol, Jaron, diese Musik, die sie an ihren Bruder erinnert. Falk würde wahrscheinlich sofort das Lokal verlassen, sie mitnehmen, komm, würde er sagen; hier müssen wir nicht bleiben.
Falk. In Lunas Kopf schwirrt und schwimmt es, der Alkohol von den Cocktails kann noch nicht abgebaut sein, das Bier hätte sie nicht so hinunterstürzen dürfen, sie merkt, wie es erneut in ihrem Magen rumort. Nur ganz leicht öffnet sie die Augen, um unter den Wimpern hindurch nach Jaron zu sehen, der noch immer geradeaus zur Bühne starrt, hier und da an seinem Bierglas nippend,
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