Dornenliebe
Immobilienkäufern und Eigentümern hat er verschoben, telefoniert andauernd, regelt so viel wie möglich über das Internet, während Luna in seinem Schlafzimmer immer wieder in einen unruhigen Fieberschlaf fällt. Manchmal stellt Falk ihr eine kleine Schale mundgerecht geschnittenen Obstes auf den Nachttisch, exotische Früchte, Luna genießt die saftigen, kühlen Mangoscheiben, die sich in ihrem Mund fast von selbst auflösen, die festen Ananasstücke, die erfrischenden Melonenwürfel. Manchmal steht sie auf, um zur Toilette zu gehen, Falk stützt sie, begleitet sie anschließend wieder ins Bett. Die meiste Zeit sitzt er neben ihr und arbeitet am Laptop.
Als das Fieber fast auf normale Körpertemperatur gefallen ist, denkt Luna wieder an die Uni. An Jaron, der sich gewiss Sorgen um sie macht, in der Uni nach ihr sucht, vielleicht hat er versucht, sie anzurufen, ihr SMS geschickt, die erneut alle unbeantwortet geblieben sind. Er weiß noch nicht, dass sie eine neue Handynummer hat, die sie selbst nicht kennt, dass sie zu Falk ziehen wird, schon fast bei ihm wohnt; jetzt wo sie krank ist, kann sie nicht weg. Sie fürchtet sich davor, es Jaron zu sagen, hofft, er werde sie verstehen, begreifen, dass sie keine andere Wahl hat. Jetzt, wo es ihr allmählich besser geht und sie nicht mehr so viel schläft, sehnt sie sich in ihrem Fieberschweiß nach ihrer Wohnung zurück, nach den kühlen Altbauwänden, nach ihren eigenen Sachen, auch wenn sie nicht so kostbar sind wie alles, womit Falk sich umgibt, auch wenn ihre wirklich wichtigen Dinge nicht mehr da sind. Luna will auf ihrem Hochbett liegen und Fernsehen, am Schreibtisch sitzen und sich am Laptop beschäftigen, immer wieder kurz aufstehen, um sich kleine, leichte Mahlzeiten zuzubereiten, Toast mit Halbfettmargarine und Käse, Naturjogurt mit Honig, sie will Pfefferminztee aus ihren eigenen Bechern trinken, von denen einige schon etwas angeschlagen sind, nicht immer aus Falks edlem Porzellan im kühlen, schlichten Design, bei dem sie jedes Mal aufpassen muss, nichts zu zerkratzen oder gar fallenzulassen. Nur ein paar Wochen noch, denkt sie; dann werde ich nie wieder die Möglichkeit haben, in meinen eigenen Räumen zu sein, werde alles auflösen. Als das Fieber ganz gesunken ist und sie wieder aufstehen kann, verspürt Luna den Wunsch, für die Uni zu lernen, ihre Notizen aus den letzten Vorlesungen durchzusehen, ins Reine zu schreiben, um sich den Stoff wieder zu vergegenwärtigen. Sie will Sarah anrufen, die Themen der Vorlesungen, die sie durch ihre Krankheit versäumt hat, zumindest
im Internet recherchieren, sich einen langen, ruhigen Nachmittag lang in der Bibliothek aufhalten. Und Jaron wiedersehen. Beinahe hat Luna Angst, Falk könnte ihre Gedanken erraten.
»Ich möchte wieder zur Uni«, verkündet sie deshalb eines Morgens, am neunten Tag nach ihrem plötzlichen Fieberanstieg. »Sonst verpasse ich zu viel. Im Januar muss ich unbedingt meine ersten Scheine machen.«
Falk runzelt die Stirn. Er hat sich nach dem gemeinsamen Frühstück mit seiner Kaffeetasse aufs Sofa gesetzt und die Speicherkarte seiner Digitalkamera in das Lesegerät seines Laptops geschoben, um das Exposé für ein Zweifamilienhaus zu erstellen.
»Meinetwegen musst du das nicht«, antwortet er, ohne aufzusehen.
»Du hast dich wirklich lieb um mich gekümmert«, betont Luna, setzt sich neben ihn und schmiegt ihren Kopf an seine Schulter. »Danke, Falk. Aber es geht mir wieder gut, wirklich. Ich habe viel nachzuholen und möchte wenigstens für ein paar Stunden hin. Wenn mir wieder flau wird, komme ich zurück, versprochen.«
Falk nimmt die Hände vom Touchpad und wendet ruckartig seinen Kopf zu ihr.
»Du hast mich nicht verstanden«, bemerkt er. »Ich meine nicht, dass du heute nicht zur Universität zu gehen brauchst. Du gehst überhaupt nicht mehr hin. Ich verdiene genug für uns beide.«
»Wie bitte?« Luna weicht zurück. »Das geht nicht … Ich brauche doch einen Beruf! Wozu habe ich Abitur gemacht, ich will doch nicht jetzt schon als Hausfrau leben! Es war gar nicht so leicht, an diesen Studienplatz zu kommen, mein Vater rastet aus! Erst die Nachricht, dass ich umziehe, dann soll ich das Studium aufgeben …«
»Schon gut.« Falk wendet sich wieder seiner Arbeit zu.
»Wenn dir deine Karriere wichtiger ist als unsere Liebe, dann geh nur.«
»So ist es doch gar nicht, Falk. Von Karriere kann überhaupt keine Rede sein, ich habe gerade erst angefangen zu studieren! Du kannst
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