Dornenliebe
hängt schwer um ihrem Hals und das Band schneidet in ihre Haut ein, sie weiß nicht, wie weit sie gerannt ist, als eine Straßenbahn wenige Meter vor ihr hält. Luna zwängt sich an Wartenden vorbei, deren Murren überhörend, hält dem Fahrer ihre Monatskarte vor das Gesicht, kämpft sich bis in die Mitte des Waggons, nur
weg von hier, weg, warum steht die Bahn so lange, aber Falk kann sie nicht gesehen haben, es ist so gut wie unmöglich, dennoch spürt sie seine Augen auf sich, obwohl sie einen Gangplatz ergattern kann und ihr Gesicht vom Fenster abwendet. Endlich geht ein Ruck durch die Straßenbahn, gleich darauf setzt sie sich in Bewegung, Luna versucht, an der alten Dame neben ihr vorbei nach draußen zu spähen, Falk ist nirgends zu entdecken. Dennoch gelingt es ihr kaum, sich zu entspannen, weiß nicht, wohin sie fahren soll, nach Hause kann sie nicht, weil Falk ihr dort sicher auflauern wird. Sarahs Adresse hat sie nicht im Kopf. Zu Jaron, denkt sie; das Haus, in dem seine WG ist und damals die Party war, würde sie noch erkennen, auch die Straße weiß sie noch. Aber in Jarons Wohnung lebt auch Johannes, Falks Cousin. Es geht nicht. Die Straßenbahn fährt und hält an, fährt weiter und hält an. Irgendwann steigt Luna aus. Findet einen U-Bahnhof, geht hinunter zum Informationskasten, studiert die Straßenkarte des Bezirks, in dem sie sich befindet, und das Schienennetz. Sie ist näher am Weihnachtsmarkt, als sie vermutet hatte. Ihr Handy vibriert in ihrer Tasche, sie zieht es heraus, natürlich sind bereits sieben verpasste Anrufe drauf und vier SMS. Dann ist er plötzlich wieder da. Falk packt sie wortlos am Arm, so hart, dass es schmerzt. Strebt auf seinen Wagen zu, öffnet ihn mit der Fernbedienung des Schlüssels, stößt Luna auf den Beifahrersitz.
»Du ziehst zu mir«, bestimmt er, während er den Motor startet. »So schnell es geht.«
12.
L unas Eltern schreiben, sie könnten nicht kommen, um beim Umzug zu helfen, besonders der Vater habe kein Verständnis dafür, dass seine Tochter sich nur wenige Wochen, nachdem er ihr unter großen seelischen und körperlichen Anstrengungen eine Wohnung gesucht und eingerichtet habe, bereits an einen Mann binde. Noch dazu an einen, den sie ihnen nicht einmal vorgestellt habe. Daraufhin schreibt Falk ihnen selbst. Erzählt von sich und seinem Beruf als Immobilienmakler, berichtet, wie er Luna kennengelernt habe und warum er sie so liebe. Lädt beide ein, im Frühjahr zu ihnen nach Berlin zu kommen. Im Anhang schickt er ein Foto von ihm und Luna mit, das er mit seiner Digitalkamera per Selbstauslöser geschossen hat, eigens für diesen Zweck. Sie stehen auf seiner Dachterrasse, hinter ihnen die Kronen der Straßenbäume mit dem ersten spärlich gefallenen Schnee dieses Winters überzuckert, aufgenommen bei Sonnenuntergang, der inzwischen bereits lange vor 17 Uhr einsetzt. Luna trägt darauf zu ihrem Wintermantel einen neuen Kaschmirschal, den er ihr in einer Boutique gekauft hat und dessen himbeerrote Farbe ihrem Gesicht einen frischen Ton verleiht, und Falk hält sie eng umschlungen.
Nur wenige Stunden vergehen, bis die Antwort auf Falks Mailaccount eingeht, Lunas Eltern bedanken sich sehr herzlich und freuen sich, dass ihre Tochter in der Hauptstadt einen so beeindruckenden jungen Mann kennengelernt
habe, nur seien sie aufgrund der Weihnachtsvorbereitungen und des anstehenden Skiurlaubs zeitlich so eingespannt, dass sie noch nicht sagen könnten, wann an eine Reise nach Berlin zu denken wäre.
»Der Schal steht dir hervorragend«, stellt Falk fest, als er noch einmal das gemeinsame Foto betrachtet. »Man sieht nicht einmal, dass du krank bist.«
Tatsächlich leidet Luna unter einer hochfiebrigen Erkältung, die sie sich vermutlich bei dem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt zugezogen hat. Ihre Stimme ist fast völlig verstummt, noch dazu quält sie ein trockener Husten. Auch im Magen ist ihr nicht gut, das flaue Gefühl, das von ihr Besitz ergriffen hat, als Falk die Gondel hat schwanken und drehen lassen hat, ist auch nachher nicht vollkommen verschwunden. Mehrere Male hat sie sich übergeben müssen, froh, sich danach wieder hinlegen zu können, doch für das Foto hatte Falk verlangt, dass sie sich anziehen, frisieren und schminken solle. Um zu zeigen, wie glücklich sie miteinander sind.
Mehr als eine Woche lang kann Luna nicht zur Uni gehen. Falk bleibt ebenfalls zu Hause, als Selbständiger könne er sich das leisten, meint er. Besichtigungstermine mit
Weitere Kostenlose Bücher