Dornenschwestern (German Edition)
angefangen hat, sie ist eine mittellose Witwe ohne Aussichten. Ich sollte mich freuen; dies ist meine Rache für unzählige Kränkungen, die Isabel und ich durch sie erleiden mussten, doch ich kann nicht anders, als an sie zu denken und mich zu fragen, wie sie die Geburt in den düsteren Räumen ihrer Zufluchtsstätte unter der Westminster Abbey überstehen und ob sie dort je wieder herauskommen wird.
Vater hat England gewonnen und ist wieder der unüberwindbare Sieger. George war während des ganzen Feldzugs treu an seiner Seite, trotz der Verlockungen seitens des Hauses York, die Seiten zu wechseln, und Vater hat alles eingehalten, was er versprochen hat. Ich soll zu ihm stoßen, sobald Prinz Edward und ich verheiratet sind. Wir warten nur auf den päpstlichen Dispens, der unsere Verlobung bestätigen soll. Als junges Ehepaar sollen wir zu Vater nach England reisen, wo wir zu Prinz und Prinzessin von Wales ausgerufen werden. Ich werde an der Seite von Königin Margarete von Anjou sein, meiner Mentorin. Wieder schicken sie die Hermeline von Königin Elizabeth aus der königlichen Kleiderkammer, nur werden sie sie diesmal an meine Gewänder nähen.
«Halt den Mund!», sagt Isabel. «Nicht schon wieder.»
«Ich kann es nicht glauben. Ich begreife es einfach nicht», erkläre ich ihr. «Ich muss es ein ums andere Mal sagen, damit ich es endlich glaube.»
«Bald kannst du deinem Gemahl etwas vormurmeln und herausfinden, ob er gern neben einem Mädchen aufwacht, das unaufhörlich vor sich hin flüstert», sagt sie gefühllos. «Und ich kann morgens endlich wieder schlafen.»
Das bringt mich zum Schweigen, wie sie sehr wohl weiß. Ich sehe meinen Verlobten jeden Tag, wenn er am Nachmittag zu seiner Mutter kommt, um sich zu ihr zu setzen, und wenn wir alle zusammen zum Abendessen gehen. Er nimmt ihre Hand, ich gehe hinter ihnen. Sie genießt das Vorrecht einer Königin, ich bin nur eine zukünftige Prinzessin. Er ist natürlich drei Jahre älter als ich, und vielleicht tut er deswegen so, als wollte er sich nicht mit mir abgeben. Er hat bestimmt denselben Hass, dasselbe Entsetzen meinem Vater gegenüber empfunden, wie man es uns gegenüber seiner Mutter eingetrichtert hat; vielleicht ist er deshalb so kalt zu mir. Vielleicht habe ich deshalb das Gefühl, wir sind immer noch Fremde, ja, beinahe Feinde.
Er hat das helle Haar seiner Mutter, fast kupferfarben. Und wie sie ein rundes Gesicht und einen kleinen verzogenen Mund. Er ist geschmeidig und stark, er hat von klein auf reiten und kämpfen gelernt, und ich weiß, dass er Mut besitzt, denn man erzählt sich, er sei ein guter Turnierkämpfer. Er war von Kindesbeinen an auf Schlachtfeldern. Vielleicht hat ihn das unempfindlich gemacht, und man kann nicht erwarten, dass er Zuneigung zu einem Mädchen empfindet, das die Tochter seines einstigen Feindes ist. Es gibt eine Geschichte über ihn, derzufolge er mit sieben Jahren verlangt hat, die York-Ritter, die auf seinen Vater aufgepasst haben, zu köpfen, obwohl sie während der Schlacht für dessen Sicherheit gesorgt hatten. Niemand widerlegt sie. Doch womöglich ist das auch meine eigene Schuld, denn ich habe keinen am Hof seiner Mutter gefragt, ob ein Junge sich so etwas erlauben darf, ja, ob es je geschehen ist, ob er wirklich unbekümmert so einen mörderischen Befehl erteilt hat. Seine Mutter wage ich nicht zu fragen, ob es stimmt, dass sie ihren siebenjährigen Sohn gebeten hat zu bestimmen, welchen Tod die beiden ehrenwerten Männer sterben sollen. Ich frage sie nie irgendetwas.
Sein Gesicht ist stets wachsam, seine Augen sind hinter Wimpern verborgen, und er sieht mich nur selten an, blickt immer woanders hin. Wenn jemand mit ihm spricht, senkt er die Lider, als wagte er es nicht, seinem Gegenüber in die Augen zu sehen. Nur mit seiner Mutter wechselt er einen Blick, nur sie bringt ihn zum Lächeln. Es ist, als vertraute er niemandem außer ihr.
«Sein ganzes Leben lang war er damit konfrontiert, dass die Leute ihm das Recht auf den Thron abgesprochen haben. Einige waren sogar der Ansicht, er sei gar nicht der Sohn seines Vaters», sagt Isabel sachlich zu mir. «Alle haben behauptet, er sei der Sohn des Duke of Somerset, ihres Günstlings.»
«Unser Großvater hat das behauptet», erinnere ich sie. «Um sie zu entehren. Das hat sie mir selbst gesagt. Sie sagt, das sei der Grund, warum sie seinen Kopf auf den Mauern von York auf eine Lanze gesteckt hat. Sie sagt, Königin zu sein bedeute, unablässig üble
Weitere Kostenlose Bücher