Dornenschwestern (German Edition)
Ich glaube, du bist verrückt geworden, mich zu beißen wie ein wütender Hund. Du hast es nicht verdient, in meiner Gesellschaft zu sein, du bist es nicht würdig, dich in der Gesellschaft von Ladys aufzuhalten. Du bist ein dummes, böses Kind, und ich will dich nicht um mich haben.»
Ich gehe in mein Gemach, doch ich bete nicht. Ich ziehe meine Kleider aus und lege sie zu einem Bündel zusammen. Dann öffne ich meine Truhe und zähle mein Geld. Ich werde von Isabel und ihrem dummen Gemahl weglaufen, und dann wird keiner von ihnen mir mehr je wieder sagen, was ich tun und lassen soll. Ich packe in fiebriger Hast. Ich war eine Prinzessin, ich war die Schwiegertochter der Königin, der Wölfin. Soll ich meiner Schwester erlauben, ein armes Mädchen aus mir zu machen, davon abhängig, dass sie und ihr Gemahl mir eine Brautgabe zuweisen, abhängig von meinem neuen Gemahl, der mir ein Dach über dem Kopf gewährt? Ich bin eine Neville aus dem Hause Warwick … soll aus mir ein Niemand werden?
Mit dem Bündel in der Hand und meinem Reiseumhang um die Schultern schleiche ich zur Tür und lausche. In der großen Halle herrscht die gewohnte Geschäftigkeit, das Abendessen wird vorbereitet. Ich höre, wie ein Junge die Scheite hereinbringt und die Asche hinausträgt, und das Klappern, als sie die Gestelle hinknallen und die Tischplatten daraufhieven, dann das Quietschen von Holzschuhen auf Dielen, als sie die Bänke von den Seiten des Raums wegziehen. Ich kann hindurchhuschen und aus der Tür sein, bevor jemand bemerkt, dass ich fort bin.
Einen Augenblick lang stehe ich mit wild pochendem Herzen auf der Schwelle, bereit loszulaufen. Ich verharre. Ich gehe nirgendwohin. Die Entschlossenheit und die Aufregung lassen nach. Ich schließe die Tür, gehe zurück in mein Gemach und hocke mich auf die Bettkante. Ich kann nirgends hin. Zu meiner Mutter ist es eine lange Reise quer durch halb England, und ich kenne weder den Weg, noch habe ich eine Wache, und am Ende erwartet mich nur ein Kloster und die Gewissheit, eingesperrt zu sein. König Edward mit seinem schönen Lächeln, der so freundlich war, mich zu begnadigen, wird mich einfach mit ihr einsperren. Damit hätte er eine gute Lösung für ein kleines Problem gefunden. Wenn ich nach Warwick Castle gehe, werde ich von den alten, einst meinem Vater treu ergebenen Dienern gewiss herzlich empfangen, doch soweit ich weiß, hat George an meines Vaters Stelle schon einen neuen Pächter eingesetzt, und er wird mich gefangen nehmen und zu Isabel und George zurückbringen oder, noch schlimmer, mir im Schlaf ein Kissen aufs Gesicht drücken.
Ich begreife, dass ich – auch wenn ich nicht eingesperrt bin wie meine Schwiegermutter Margarete von Anjou im Tower und meine Mutter in Beaulieu Abbey – doch gleichermaßen unfrei bin. Ohne Geld, um Wachen anzuheuern, und ohne einen großen Namen, der Respekt gebietet, kann ich nicht hinaus in die Welt. Wenn ich fortwill, muss ich jemanden finden, der mir Wachen zur Verfügung stellt und für mich um mein Vermögen kämpft. Ich brauche einen Verbündeten, jemanden mit Geld und Soldaten.
Ich lasse mein Bündel zu Boden plumpsen, setze mich mit untergeschlagenen Beinen auf das Bett und stütze das Kinn in die Hände. Schrecklich, dass Isabel das alles zulässt, ja, sogar dabei mitspielt. Dank ihr bin ich ganz unten – dies ist schlimmer als die Niederlage in Tewkesbury. Dort fand eine Schlacht auf offenem Feld statt, und ich war unter den vielen, die geschlagen wurden. Hier bin ich allein. Hier kämpft meine eigene Schwester gegen mich, und ich leide. Sie hat zugelassen, dass sie mich zu einem Nichts gemacht haben, und das werde ich ihr niemals verzeihen.
Westminster Palace, London
Weihnachten 1471
I sabel und George nehmen an dem triumphalen Weihnachtsfest des Königs und seiner Königin teil, die wieder in ihrem schönen Palast leben, entspannt unter Freunden und Verbündeten, der Inbegriff von Schönheit, Ritterlichkeit und königlicher Anmut. So etwas hat das Land noch nicht gesehen. Die Bürger von London können von nichts anderem sprechen als von der Eleganz und Extravaganz dieses wieder eingesetzten Hofes. Der König verwendet sein frisch erworbenes Vermögen auf schöne Kleider für die Königin und ihre hübschen Prinzessinnen. Die königliche Familie putzt sich mit der neuesten Mode aus Burgund heraus, von hochgebogenen Schuhspitzen bis zu schillernd bunten Umhängen. Beim Abendessen funkelt Elizabeth, die Königin, im Schein
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