Dornenschwestern (German Edition)
verbergen. Wer uns sehen wollte, müsste bis zum Eingang der runden Anpflanzung von Bäumen gehen und hineinspähen. Es ist, als wären wir vor aller Welt verborgen in einem kleinen grünen Zimmer eingeschlossen. Ich ziehe meinen Umhang enger um mich, setze mich auf die Steinbank und blicke erwartungsvoll zu ihm auf.
Er lacht angesichts meiner aufgeregten Miene. «Ich muss wissen, was du willst, bevor ich irgendetwas vorschlagen kann.»
«Warum solltest du mir überhaupt etwas vorschlagen?»
Er zuckt die Achseln. «Dein Vater war ein guter Mann, ein guter Vormund. Ich erinnere mich aus Kindertagen voller Zuneigung an dich. Ich war glücklich in eurem Haus.»
«Und deswegen würdest du mich retten?»
«Du solltest frei sein, deine eigene Wahl zu treffen.»
Zweifelnd sehe ich ihn an. Er muss mich für eine Närrin halten. Als er mein Pferd nach Worcester führte und mich George und Isabel übergab, hat ihm nichts an meiner Freiheit gelegen.
«Und warum hast du mir dann nicht erlaubt, zu meiner Mutter zu gehen, als du Margarete von Anjou gefangen genommen hast?»
«Da wusste ich nicht, dass sie dich wie eine Gefangene halten würden. Ich dachte, ich würde dich zu deiner Familie bringen, in Sicherheit.»
«Es geht um das Vermögen», erkläre ich ihm. «Solange ich bei ihnen bin, kann Isabel das ganze Erbe meiner Mutter einfordern.»
«Und da deine Schwester nicht protestiert, können sie eure Mutter für immer festhalten. George bekommt alle Ländereien eures Vaters, und wenn Isabel die Besitzungen eurer Mutter bekommt, fließt dieses große Erbe wieder zusammen, doch nur im Besitz einer Warwick-Tochter, in Isabels Besitz, und über ihr Vermögen bestimmt George.»
«Es ist mir nicht erlaubt, mit dem König zu sprechen, wie soll ich also meine Sache vorbringen?»
«Ich könnte dein Fürsprecher sein», schlägt Richard langsam vor. «Wenn du willst, dass ich dir diene. Ich könnte für dich mit ihm sprechen.»
«Warum solltest du so etwas tun?»
Er lächelt mich an. Seine dunklen Augen sind voller Versprechungen.
«Was meinst du wohl?», sagt er leise.
«Was meinst du wohl?»
Die Frage verfolgt mich wie ein Liebeslied, als ich den kühlen Garten verlasse und in Isabels Gemächer eile. Meine Hände sind eisig, und meine Nase ist rot von der Kälte, doch niemand bemerkt es, als ich meinen Umhang ablege und mich ans Feuer setze und so tue, als würde ich ihnen zuhören, wie sie über die Kleider für die Maskerade sprechen, wo ich doch im Kopf nichts anderes höre als seine Frage: «Was meinst du wohl?»
Es wird Zeit, uns fürs Abendessen umzuziehen. Ich muss auf Isabel warten, während ihre Zofen ihr das Kleid schnüren. Ich reiche ihr einen kleinen Parfümflakon und öffne die Schmuckschatulle. An diesem Tag diene ich ihr ohne Groll; ich bemerke kaum, dass sie um einen Perlenkragen bittet und es sich dann noch zwei Mal anders überlegt. Ich hole die Sachen aus der Schatulle, lege sie wieder weg und hole sie noch einmal heraus. Es ist mir gleichgültig, dass sie Perlen trägt, die ihr Gemahl jemand anderem gestohlen hat. Mir wird sie nie wieder etwas stehlen.
Ich habe jetzt jemanden auf meiner Seite, und er ist der Bruder eines Königs, genau wie George. Er gehört dem Hause York an, und mein Vater hat ihn geliebt und ihn unterwiesen wie einen Sohn. Und zufällig ist er nach George der nächste Thronerbe, doch er wird mehr geliebt als George und ist zuverlässiger und treuer. Wenn man einen der Söhne von York wählen müsste, würde man George wegen seines guten Aussehens wählen, Edward wegen seines Charmes, aber Richard wegen seiner Treue.
«Was meinst du wohl?»
Als er mich das fragte, schenkte er mir ein ungezogenes Lächeln, und seine dunklen Augen strahlten. Er zwinkerte mir beinahe zu, als wäre es ein kleines, entzückendes Geheimnis.
Ich hielt es für klug und vorsichtig, ihn zu fragen, warum er mir helfen wollte, und dann sah er mich an, als wüsste ich die Antwort längst. Angesichts der Frage – und seines funkelnden Lächelns – hätte ich am liebsten gekichert, ja, selbst jetzt, da meine Schwester zu ihrem Spiegel aus gehämmertem Silber geht und mir mit einem Nicken zu verstehen gibt, ihr die Perlen um den Hals zu legen, könnte ich noch rot werden.
«Was ist los mit dir?», fragt sie kalt und begegnet meinem Blick in dem silbernen Spiegel.
Ich reiße mich sofort zusammen. «Nichts.»
Isabel steht vom Tisch auf und geht zur Tür. Ihre Hofdamen versammeln sich um sie, die Tür
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