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Dornroeschenmord

Dornroeschenmord

Titel: Dornroeschenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kalman
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rätselhafte Rose beschäftigte ihre Gedanken genauso wie ihre Entdeckung in Grassers Praxis.
    Sie griff zum Telefon und wählte die Nummer von Christoph. Hoffentlich hatte er ein paar Minuten Zeit. Er war immer zur Stelle, wenn sie Liebeskummer hatte oder wenn sie nicht wußte, mit wem sie am Sonntagnachmittag spazieren gehen sollte. Er war treu wie ein Golden Retriever und genauso anspruchslos. Nach dem fünften Klingeln hob er ab.
    »Gerichtsmedizin, Kempf«, tönte seine tiefe Stimme aus dem Hörer.
    »Christoph, wie gut, daß ich dich erreiche«, sagte Mandy und erzählte ihm von ihren Erlebnissen.
    »Interessant«, begann er in seiner bedächtigen Art. »Das sollen dir andere Frauen erst einmal nachmachen. Kaum hast du dich von einem Kerl getrennt, schickt dir der nächste rote Rosen. Wie schade, daß er zu schüchtern war, dir auch seinen Namen mitzuteilen.«
    »Allerdings«, meinte Mandy. »Apropos Rosen, siehst du eine Verbindung zu den Morden, von denen man die ganze Zeit in der Zeitung liest?«
    »Mandy, wenn hier irgendwas wie eine Rose blüht, dann ist es deine Phantasie. Wer sollte dir schon etwas tun wollen?« Seine Reaktion war lapidar und typisch männlich. Mandy ärgerte sich.
    »Der Täter hat bei seinen Opfern aber immer Rosen hinterlassen. Und was soll dieser seltsame Spruch auf der Karte? Außerdem gehört es zu meiner Arbeit, Zusammenhänge zu sehen, die nicht allzu offensichtlich sind.«
    »Ach, vielleicht lebt da nur jemand seine theatralische Ader aus und will es ein wenig spannend machen. Weißt du, alles dreht sich, alles bewegt sich.« Christoph konnte allem widerstehen, nur nicht der Versuchung, seine Reden mit abgedroschenen Sprüchen zu würzen.
    »Und die Patientenkarte auf Grassers Schreibtisch?« versuchte sie es noch mal. »Soll das vielleicht ein Zufall sein? Er war der Arzt von Mona Krug, und die ist inzwischen tot.«
    »Jetzt übertreibst du aber. Du siehst wirklich Zusammenhänge, wo gar keine sind.«
    Mandy ereiferte sich. Wieso wollte Christoph sie nicht verstehen?
    »Willst du heute abend nicht vorbeikommen, und wir sprechen noch mal in Ruhe darüber?« fragte sie.
    »Ach, eigentlich furchtbar gerne, aber ausgerechnet heute abend geht es nicht.«
    Christoph und keine Zeit? Etwas war faul im Hause Kempf.
    »Warum denn nicht?«
    »Weißt du«, meinte er zögernd, »ich habe seit zwei Monaten eine Freundin, und ich habe ihr versprochen, heute abend ihr neues Küchenregal zusammenzuschrauben.«
    »Ich verstehe«, sagte sie und schluckte, »da will ich dich natürlich nicht stören. Also dann, mach’s gut.«
    »Bis bald. Und halt die Ohren steif«, antwortete Christoph und legte auf.
    Das war es also. Ein Küchenregal von Ikea! Dafür ließ Christoph sie heute abend sitzen. Ihr treuer, hamsterbackiger Christoph, der sonst froh über jeden Frondienst gewesen war, den er ihr leisten durfte.
    Auf einmal fühlte Mandy sich sehr allein. Natürlich war es richtig gewesen, die Beziehung zu Edward zu beenden. Doch allmählich fragte sie sich, ob sie nicht zu voreilig gewesen war. Vielleicht wäre es besser gewesen, ihm einfach mehr Zeit zu geben.
    Statt dessen würde sie in Zukunft ihre Abende mit Ally McBeal teilen, einen Kurs in Seidenmalerei belegen und obendrein Sanskrit lernen, um schließlich die Lehren des Buddhismus in der Originalsprache lesen zu können. Und wenn das nicht reichte – für Leute in ihrer Lage gab es sicherlich eine Selbsthilfegruppe.
     
    Als sie die Wohnungstür aufschloß, schien es ihr fast so, als wäre Edward doch noch da. Es roch ungelüftet, und außerdem war es kalt. Mandy schniefte selbstmitleidig, zog sich das unbequeme Kostüm aus und schlüpfte in ihren verwaschenen grauen Jogginganzug.
    In der Küche öffnete sie den Kühlschrank und blickte frustriert hinein: eine einsame, abgestandene Flasche Diätcola, ein Glas Oliven und ein Ananasjoghurt, dessen Verfallsdatum vor einem Tag abgelaufen war. Sie lud die Sachen auf ein Tablett und setzte sich auf ihr Sofa im Wohnzimmer. Als Hauptgang Oliven an Salzlake und hinterher Ananas überreif, versuchte sie sich ihr frugales Mahl schmackhaft zu machen. Zunehmen würde sie davon jedenfalls nicht.
    Ausgehungert biß sie in die erste Olive und schaltete den Fernseher ein. Im Ersten wurde gerade en détail das Liebesleben der Feuersalamander enthüllt, im ZDF umarmte Frank Sinatra zärtlich Grace Kelly, und auf ProSieben ritt eine hemmungslose Sharon Stone ihren Michael Douglas. Mandy stöhnte auf. Am liebsten

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