Dornroeschenmord
Seite an und kramte gleichzeitig in seinem Portemonnaie.
»Hm. Sieht so aus, als müßte ich zu Fuß nach Hause gehen. Dolly und Pam haben mich offensichtlich die letzten Scheinchen gekostet.«
Mandy überlegte einen Augenblick lang. Natürlich könnte sie ihm das Geld fürs Taxi vorstrecken, aber es gab da auch eine andere Möglichkeit … Und das Ganze hätte nicht einmal einen unehrenhaften Charakter, denn sie würde ihn ja völlig selbstlos aus seiner mißlichen Lage befreien.
»Du kannst sicherlich auch nicht mehr fahren, oder?« Edwards Ton machte die Frage zu einer Feststellung. »Meinst du, Herr Bergerhoff hätte etwas dagegen, wenn ich in deiner Garage übernachten würde?«
»Weiß ich nicht«, lächelte Mandy. »Aber ich hätte etwas dagegen. Ich könnte nie verantworten, daß du dir in der kalten Garage eine Erkältung holst.« Ihre Stimme senkte sich ein wenig. »Wir werden Frederick fragen, ob er nicht eine Suite für dich frei hat.«
Edwards lächelndes Gesicht erstarrte zu einer Grimasse. »Das ist doch nicht dein Ernst, oder?«
»Nein, ich mache Spaß«, grinste Mandy und zog ihn kameradschaftlich vom Stuhl. »Jetzt komm, wir werden schon ein Plätzchen für dich finden.«
Beim Hinausgehen fiel Mandys Blick auf eine Blumengirlande. Jemand hatte dort das Produzentenzöpfchen zum Trocknen aufgehängt. Hätte dieser groteske Anblick sie nicht so fasziniert, wäre ihr Edwards siegesgewisser Blick nicht entgangen. Sein Ziel war endlich in greifbare Nähe gerückt.
»Hier … oder drüben?« fragte Edward mit unsicherer Stimme.
»Du schläfst hier«, schmetterte Mandy seine Frage kategorisch ab und klappte mit einem Ruck das Bettsofa auf. Es war merkwürdig, wieder mit Edward in derselben Wohnung zu sein. Aber trotz des Prickelns, das sie durch jede Hautschicht spürte, sträubte sie sich dagegen, eine allzu große Vertrautheit aufkommen zu lassen. Außerdem hatte sie ein schlechtes Gewissen Frederick gegenüber. Obwohl er ihr in dieser Hinsicht vermutlich in nichts nachstand. Sein seltsamer Abgang an diesem Abend erboste sie immer noch.
Noch mehr verwirrte sie aber ihr eigenes Gefühlschaos. Bislang hatte sie immer gewußt, wem ihre Gefühle galten, und wenn es einen Mann in ihrem Leben gab, dann hatte sie ein anderer nicht interessiert. Die Tatsache, daß sie im Begriff war, jemanden zu betrügen, gefiel ihr überhaupt nicht. Einerseits. Andererseits war sie plötzlich ihre eigene Herrin, und nach dieser Unabhängigkeit hatte sie schließlich seit der Trennung von Edward gestrebt.
Wie scharfsinnig Mandys Betrachtungen auch waren, dem Hang, sich selbst zu belügen, konnte sie zeitweise nicht widerstehen. Er machte die Dinge manchmal so einfach.
Edward lag mittlerweile unter der Wolldecke auf dem Bettsofa, doch der Gedanke an Mandy hinderte ihn am Einschlafen. Während er sie im Bad rumoren hörte, überlegte er, wie er am geschicktesten vorgehen sollte. Eine bessere Gelegenheit würde sich nicht mehr bieten …
Irgendwann mußte er doch eingeschlummert sein, denn zwei Stunden später riß ihn etwas aus dem Schlaf. Er wußte nicht, ob es ein Geräusch gewesen war oder ein Gedanke. Wie unter Zwang stand er auf und schlich auf Zehenspitzen durch die Wohnung. Aus Mandys Schlafzimmer drang kein Laut. Vorsichtig drückte er die Klinke nach unten. Eingekuschelt unter einer dicken Daunendecke lag Mandy auf der Seite, das Haar zerzaust und den Zeigefinger der linken Hand in einem Mundwinkel, was ihr trotz der entspannten Haltung auch im Schlaf ein nachdenkliches Aussehen verlieh.
Ihr Anblick ließ ihn die guten Vorsätze fast vergessen. Der Drang, es zu tun, war fast übermächtig, aber als sie sich im Schlaf bewegte und ihm ihr Gesicht zuwandte, zog er die ausgestreckte Hand wieder zurück und verließ das Zimmer genauso lautlos, wie er gekommen war. Er kroch zurück in sein Bett und versuchte angestrengt, an etwas anderes zu denken als an die Frau nebenan.
Wie dann letztendlich alles gekommen war, hätte Mandy hinterher nicht mehr sagen können. Während sie Frühstück zubereitete, hatte Edward ein Bad genommen. Durch die ungewohnte, aber vertrauliche Atmosphäre hatte Mandy das Gefühl, als hätte es nie eine Trennung gegeben und als wäre Edward nie weg gewesen. Alles war wie früher. Fast. Denn da war immer noch der Gedanke an das Feuerzeug in Elisabeth Hellers Wohnung.
Als er ihr dann so vertraut beim Frühstück gegenübergesessen hatte, war die Frage mit einem Mal über ihre Lippen
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