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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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mich darauf.«
    Als Brenna vom Parkplatz auf die Straße fuhr, saß er längst wieder in seinem eigenen Wagen, legte seine Hände auf dem Lenkrad ab und sah ihr hinterher.
    Wobei er nicht allein war.

27
    Als Morasco wieder auf die Wache kam, stand der Chief neben dem Brunnen vor dem Haus und gab eine Pressekonferenz. Die zweite dieses Tages, was bei ihm jedoch nicht ungewöhnlich war. Er liebte öffentliche Auftritte gleich welcher Art, und die Art, in der er sprach, erinnerte weniger an einen Polizisten oder den Politiker, für den er sich wahrscheinlich hielt, sondern eher an Charlton Heston, während dieser sich um eine Rolle in Drei Mädchen und drei Jungen bewarb.
    Er schob sich an den Fernsehkameras vorbei und hörte Hutchins sagen: »… ohne dass es jemand wusste, hatte Nelson Wentz ein paar dunkle Geheimnisse …« Sie müssen es ja wissen, Chief. Schließlich kennen Sie sich mit solchen Dingen aus.
    Â»â€¦ ein kleiner Mann mit einer riesengroßen Wut …«
    Â»Wer schreibt ihm diesen Quatsch eigentlich auf?«, murmelte Morasco vor sich hin, und einer der Kameramänner drehte sich mit gehobenen Brauen zu ihm um. Eilig senkte er den Kopf, ging durch die Tür der Wache und dachte daran, wie lange man Geheimnisse bewahren konnte, ehe sie anfingen zu verrotten und zu stinken und alles zerstörten, was mit ihnen in Berührung kam.
    Es war kaum jemand auf dem Revier, denn die meisten anderen Detectives flankierten Hutchins auf der Pressekonferenz, und die Kollegen in Uniform, die nicht gerade Streife fuhren, achteten darauf, dass der Big Boss sie zwischen den Reportern stehen und ihm andächtig lauschen sah.
    Morasco ging zu seinem Schreibtisch – einem riesengroßen, von der Putzkolonne blankpolierten, völlig unnötigen Ungetüm. Sein alter Tisch hatte ihm vollkommen gereicht. Genau wie sein alter Computer und sein altes Telefon ohne Headset, ohne spiegelndes, futuristisches Bedienfeld und vor allem ohne VoiceDial, einer völlig dämlichen Funk-
tion, die einen ständig mit dem falschen Teilnehmer verband.
    Wenn man lange genug an einem Ort wie diesem tätig war, gewöhnte man sich früher oder später an die sinnlose Verschwendung. An die Heuchelei. Aber wenn man wieder mal genau hinsah, spielte es keine Rolle, wie lange man von diesem Überfluss bereits umgeben war. Dann fiel er einem wieder ganz genauso auf wie beim letzten Mal, als man sehenden Auges ins Büro gekommen war.
    Was machte er hier überhaupt? Warum hatte er nicht elf Jahre zuvor einfach den Dienst quittiert?
    Auf Morascos Schreibtisch standen keine Fotos mehr. Vor der Scheidung hatte dort ein gerahmtes, kleines Bild von Holly und ihm selbst während eines Campingurlaubs seinen Platz gehabt. Auch wenn er sich an Einzelheiten nicht erinnern konnte, wusste er noch, dass sie sich auf diesem Foto liebevoll im Arm gehalten und gelächelt hatten. Ob vor einem Hintergrund aus Tannen oder Ahornbäumen, wusste er nicht mehr genau. Was er jedoch wusste – und wahrscheinlich nie vergaß –, war, dass Holly auf dem Bild im dritten Monat schwanger gewesen war. Er hatte dieses Bild sehr lange auf dem Schreibtisch stehen gehabt, auch noch nach der Geburt und nach dem Tod seines Kindes. Selbst drei Monate nach seiner Scheidung hatte das Bild noch immer dort seinen Platz gehabt. Bis die Wache hierher umgezogen und der neue, riesengroße Schreibtisch angeliefert worden war. Anfangs hatte er das Bild in eine der zahllosen Schubladen gelegt, es dann aber irgendwann entsorgt.
    Es gab überzeugende Statistiken über die Häufigkeit von Scheidungen bei Paaren, die ein Kind verloren. Experten sagten, dass die Ehepartner sich nach einem solchen Tod – einem plötzlichen Kindstod, der unmöglich zu verhindern war – nicht mehr ansehen konnten, ohne dass es dadurch zu einer Verstärkung des Verlustgefühls und des Gefühls der Ohnmacht kam. Vielleicht hätte eine Ehetherapie etwas genützt, doch dagegen hatte Holly sich gewehrt. Sie wollte nur vergessen, weiter nichts.
    Ein gutes Vierteljahr nachdem Matthew in seiner Korbwiege gestorben war, war Iris Neff verschwunden. Zu Anfang der Ermittlungen hatte Lydia Neff Morasco ein Foto von ihrer Tochter in die Hand gedrückt – das Bild eines breit lächelnden, kleinen Mädchens in einem violetten Overall und mit zu Zöpfen geflochtenem schwarzem Haar. Morasco hatte

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