Dornteufel: Thriller (German Edition)
Mauer, die das Gelände umgab, die Prozedur in der Schleuse und das unnachgiebige und unnahbare Auftreten des Security Officers. Und wenn sie es mit ihrem Sicherheitswahn nicht dabei beließen? Schließlich hatten sie sich auch ungefragt Zugang zu ihrem Apartment verschafft.
Immerhin lag auf der Schreibtischplatte auch ihr Reisepass. Daneben hatte jemand, wie um zum Ausdruck zu bringen, dass Serail Almond alles sah, ihr Multifunktionswerkzeug gelegt. Sie besaß einen Leatherman Surge , der ihr bei ihrer Arbeit manchmal gute Dienste leistete. Den hatte sie während des Fluges natürlich im Koffer verstauen müssen. »Sie« hatten ihn beim Durchleuchten ihres Gepäcks natürlich gefunden – und sich vielleicht gewundert.
Julias Blick wanderte durch das funktionell eingerichtete Apartment. Es schien hier alles in Ordnung zu sein. Dann sah sie zur Decke und entdeckte den Rauchmelder, der nicht nach einem Standardgerät aussah. Eines der beiden Glasaugen war sicherlich dazu da, Rauch zu erkennen. Aber das zweite? Julia schnitt eine Grimasse und klappte einen Schraubendreher aus ihrem Leatherman heraus. Dann zog sie sich einen Stuhl heran, stieg darauf und schraubte den Deckel des Rauchmelders ab. Das zweite Glasauge sah aus wie das Objektiv einer Minikamera mit Fischauge. Sie wagten es, in ihrem Privatbereich … Wütend stach Julia mit der Spitze des Werkzeugs hinein; Glassplitter fielen zu Boden. Sie nahm sich vor, den Rauchmelder in Zukunft täglich zu kontrollieren und sich außerdem bei Parminski darüber zu beschweren. Sie atmete tief ein und aus, schraubte den Deckel wieder zu und stieg vom Stuhl. Anschließend verstaute sie ihren Reisepass im aufgetrennten Futter ihres Koffers, nahm das neue Handy und wählte Sonjas Nummer.
»Julia! Bist du jetzt erst angekommen?«
»Nein. Ich melde mich erst heute, weil sie mir gestern bei der Ankunft mein Telefon abgenommen haben.«
»Sie haben was? Wo bist du denn gelandet?«
»Ich musste Handy, Laptop und Reisepass abgeben. Und mein Gepäck wurde durchsucht. Um eine Leibesvisitation bin ich gerade noch herumgekommen.«
»Das wagt doch eh keiner.« Sie hörte, wie Sonja am anderen Ende der Welt lächelte.
»Ich kam mir so vor, als ginge ich in den Knast! Hast du nicht behauptet, dass Serail Almond ein fortschrittliches Unternehmen ist?«
»Es gibt bestimmt einen Grund dafür, dass die so vorsichtig sind. Hast du alles wiederbekommen?«
»Nicht alles.« Sie überlegte kurz, ob sie Sonja auch von der Kamera im Rauchmelder erzählen sollte, ließ es dann aber bleiben. »Und was machst du so?«, fragte sie, um von ihrem Ärger abzulenken.
»Ich war gestern mit meinem Bruder essen. Ich hab ihn ein bisschen ausgefragt, weil du jetzt auch für Serail Almond arbeitest. Stefan war in Plauderstimmung. Er sagte, dass sie bei Serail Almond kurz vor einem sensationellen Durchbruch stehen.«
»Vielleicht sind sie ja deswegen so paranoid? Du hast ihm aber nicht gesagt, dass ich hier arbeite?«, fragte Julia alarmiert.
»Kann sein, dass ich es erwähnt habe. Meinst du, das interessiert ihn?«
Das klang nicht gut. Stefan Wilson, Sonjas Bruder, war das jüngste Vorstandsmitglied von Serail Almond. »Ich hatte dich doch ausdrücklich gebeten, es ihm nicht zu sagen.«
»Er hat mir gar nicht richtig zugehört, Julia. Er ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.«
Julia verdrehte die Augen. Egozentrisch war Stefan Wilson schon immer gewesen. Sie sollte sich nicht weiter aufregen. Bestimmt erinnerte er sich nicht einmal mehr an sie. Während des Flugs nach Indien hatte Julia in einem Wirtschaftsmagazin einen schmeichelhaften Artikel über ihn gelesen: Er hatte zunächst ein hochspezialisiertes, kleines Pharma-Unternehmen geführt, das er mithilfe des Erbes seines Vaters gegründet und aufgebaut hatte. Doch es sei für eine Firma zu risikoreich, hatte er dem Verfasser der Reportage erklärt, nur an ein oder zwei neuen Produkten zu forschen, da im Schnitt lediglich eine von zehn Neuentwicklungen überhaupt zur Marktreife gelange. Aus diesem Grund habe er sein Unternehmen an Serail Almond verkauft. Ihm war dadurch der Karrieresprung in den Vorstand eines internationalen Konzerns gelungen.
Ehrgeizig war er ja schon immer gewesen, dachte Julia, und ausschließlich auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Sie hatte sich als Vierzehnjährige Hals über Kopf in ihn verliebt. Er war Student gewesen und hatte sie, die Freundin seiner kleinen Schwester, nicht mehr beachtet als die Topfpflanzen
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