Dornteufel: Thriller (German Edition)
aufgebracht an. »Das ist doch sinnlos, wenn Sie mir nicht glauben.«
»Glauben ist hier irrelevant«, entgegnete Klingbeil mit finsterer Miene. »Wir sammeln Fakten.«
»Brauche ich einen Anwalt?«
»Nein, wenn Sie nichts zu verbergen haben«, erwiderte Stahnke ruhig. »Aber Ihr Leben ist weiterhin in Gefahr.«
»Ewig können wir Sie nicht bewachen lassen«, warf Klingbeil ein.
»Schon klar – begrenzte Mittel«, meinte Julia lakonisch. Doch sie merkte, wie ihr Widerstand schmolz. Was hatte sie denn für eine Wahl? Sie holte ein wenig aus und erzählte den beiden Kriminalbeamten alles, was sich seit ihrem letzten Gespräch ereignet hatte. Als sie das erste Treffen mit Ferland erwähnte, wurden die Gesichter der Männer zu Stein.
»Warum haben Sie uns nicht umgehend darüber informiert?«, stieß Stahnke hervor.
»Ferland sagte, er habe selbst Kontakt zur Hamburger Polizei aufgenommen. Außerdem … Es ging alles so schnell. Ich bin nicht mehr dazu gekommen.«
»Das ist wirklich das Dümmste …«, brauste der zwei Meter lange Klingbeil auf.
»Wir halten Ihnen zugute, dass Sie unter besonderem Stress standen, Frau Bruck«, erklärte Stahnke. »Und die Entscheidung, Sie nicht sofort in einem ›Sicheren Haus‹ unterzubringen, war offensichtlich auch die falsche. Wir hatten nicht gedacht, dass Sie so tief drinstecken.«
»Tief drin? Aber in was?«, wollte Julia von ihm wissen. Seinen Kollegen Klingbeil schaute sie ganz bewusst nicht mehr an.
»Tut mir leid«, sagte Stahnke. »Bestimmte ermittlungsrelevante Erkenntnisse können wir nicht an Sie weitergeben. Vorerst werden wir Ihr Krankenzimmer weiterhin bewachen lassen. Wir warten ab, was die kriminaltechnische Untersuchung ergibt, und dann reden wir noch mal miteinander.« Die beiden Beamten erhoben sich.
Auf dem Weg zur Tür blieb Klingbeil plötzlich stehen und drehte sich zu ihr um. »Übrigens, wenn Sie an Ihre Sachen in Frau Wilsons Wohnung wollen, Kleidungsstücke zum Beispiel, dann wenden Sie sich am besten an mich. Noch ist die Wohnung abgesperrt, bis die polizeilichen Untersuchungen abgeschlossen sind.« Seine Stimme trug eine Spur Häme in sich. Er warf Julia noch einen kurzen Blick zu, bevor er hinausging und die Tür hinter sich schloss. Offensichtlich ließ er sich nicht gern ignorieren.
A N B ORD DES S CHIFFES DER H ILFSORGANISATION
Kamal Said lag im Dunkeln in seiner Koje und starrte auf die Mondsichel hinter dem Bullauge. Immer wenn er glaubte, es würde ein klein wenig besser werden, wurde es kurz darauf noch viel schlimmer.
Er war so stolz auf sich gewesen, dass es ihm gelungen war, die Schiffsbesatzung, allen voran den staubtrockenen Peter, auszutricksen und eine E-Mail zu versenden. Nun saß er zur Strafe in einer Einzelkabine fest. Sein Essen wurde ihm wortlos hereingereicht, und sie kamen dabei immer zu zweit, sodass an eine Flucht nicht zu denken war. Er vermisste Irfan, Jamal und sogar den schweigsamen Navid. Hier, auf sechs Quadratmetern, wurde er langsam wahnsinnig vor Einsamkeit und Ungewissheit.
Er musste weggedämmert sein, denn plötzlich spürte er, dass er grob wachgerüttelt wurde, und als er die Augen öffnete, war es taghell in der Kajüte. Er wusste im ersten Moment nicht einmal mehr, wo er sich befand. Im Traum war er wieder zu Hause bei seinen Eltern und Geschwistern gewesen, und dann hatten ihn die Taliban holen wollen. Als er nun Peters wutverzerrtes Gesicht sah und seinen emotionslos blickenden Begleiter, der mit einer Waffe auf ihn zielte, da wusste er nicht, was schlimmer war: die Männer, die vor ihm standen, oder die Taliban.
27. Kapitel
A N B ORD DES S CHIFFES DER H ILFSORGANISATION
»Warum hast du die Kabine verlassen?«, schrie Peter ihn an. »Rede schon!« Er riss Kamal aus der Koje und drückte ihn gegen die Wand. »Na los, was hast du gemacht, als du nicht bei den anderen warst?«
Kamal war von dem Angriff so überrascht, dass er sich nicht wehrte. Er hob nur schützend die Arme und dachte fieberhaft nach, wie er reagieren, was er sagen sollte. Peters Wut, die sich wie übler Gestank in der kleinen Kajüte ausbreitete, war für ihn nicht nachvollziehbar. Dies hier war ein Schiff einer Hilfsorganisation! Doch Hilfe sah seiner Meinung nach anders aus.
»Hast du telefoniert?«, verlangte Peter zu wissen. Er beugte sich vor, sodass sein Gesicht ganz dicht vor dem des jungen Mannes war. Kamal konnte riechen, dass sein »Berater« nach dem Abendbrot Alkohol zu sich genommen hatte: ein scharfer, leicht
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