Dornteufel: Thriller (German Edition)
fuhr ihr durch den Kopf, während sie die Beamten weiterhin sprachlos anstarrte.
»Warum sind Sie eigentlich nicht an Ihrem Platz gewesen, als der Sprengsatz detoniert ist?«, hörte sie Klingbeil fragen. Er hatte seine langen Arme vor der Brust verschränkt.
Die Bestätigung, dass ihre schlimmsten Befürchtungen wahr waren – dass Sonja nicht überlebt und die Explosion sie wahrscheinlich in Stücke gerissen hatte –, war an sich schon grausam, aber der mit der Frage verbundene Verdacht wandelte das Grauen und die Trauer zunächst in eiskalte Wut. »Was wollen Sie damit andeuten?«, entgegnete Julia mit einem Beben in der Stimme. »Etwa, dass ich etwas mit dem Anschlag zu tun habe?«
»Wir deuten prinzipiell gar nichts an«, erwiderte Klingbeil. »Wir stellen nur Fragen.«
Stahnke zumindest sah ein wenig unbehaglich drein, wie Julia bemerkte. »Hat sie … hat Sonja gelitten?«, brach es aus ihr hervor.
»Nun, eine Explosion von dieser Stärke zerfetzt für gewöhnlich …«
Stahnke brachte Klingbeil mit einem scharfen Blick zum Schweigen und antwortete: »Nein. Es ging wahrscheinlich sehr schnell.« Er räusperte sich und setzte sich so, dass er das Fenster genau im Rücken hatte. »So schlimm das im Moment auch alles für Sie ist, wir brauchen Ihre Hilfe, Frau Bruck. Erzählen Sie uns alles, an was Sie sich von dem Abend der Detonation erinnern.«
»Der behandelnde Arzt sagte uns, dass Sie, was den Verlauf des Abends angeht, unter Gedächtnisverlust leiden«, merkte Klingbeil an, in dessen Stimme eine Spur Ungläubigkeit mitschwang.
»Wenn Sie diesen Ton anschlagen, erinnere ich mich tatsächlich an gar nichts!«, rief Julia wütend. Wut war die einfachere Reaktion. Besser als diese abgrundtiefe Trauer, die sie nach unten zu reißen drohte wie ein gewaltiger Strudel.
Stahnke beugte sich ein Stück vor. »Wissen Sie: Wir müssen der Frage nachgehen, ob der Anschlag Ihnen persönlich galt.«
Julia starrte ihn an. Es wurde immer schlimmer.
»Allerdings nicht nur Ihnen allein«, schob Klingbeil nach. »Dann hätte man es eleganter lösen können.«
»Das glaube ich nicht. Warum lebe ich dann noch?« Sich der Befragung durch die BKA-Leute zu verweigern würde Julia nicht weiterbringen. Was, wenn die Vermutung der Beamten stimmte? Sie dachte einen Moment nach. »Hatte der Sprengsatz etwa einen Zeitzünder, sodass ich aufgrund eines glücklichen Zufalls dem Mordanschlag entgangen bin?«, fragte sie Stahnke. Hatte Robert Parminski – oder derjenige, den sie für ihn gehalten hatte – ihr so, ohne es zu wissen, das Leben gerettet?
»Kein Zeitzünder. Der Sprengsatz wurde über Funk gezündet. Wahrscheinlich von jemandem, der sich ebenfalls in den Fischauktionshallen befunden hat.«
»Wenn ich das Ziel des Anschlags gewesen wäre, dann hätte er doch bestimmt einen Moment gewählt, an dem ich an meinem Platz war«, entgegnete Julia verwirrt.
»Genau das verstehen wir eben auch nicht«, sagte Klingbeil und musterte sie misstrauisch. »Eine Zündung per Funk macht nur bei Blickkontakt Sinn. Wo waren Sie überhaupt? Warum haben Sie Ihren Tisch so kurz vor der Rede Ihrer Freundin verlassen?«
»Ich habe plötzlich jemanden auf der Galerie gesehen, den ich nicht dort vermutet habe. Oder glaubte zumindest, dass es derjenige war. Ich bin dann nachsehen gegangen.« Julia hörte selbst, wie verdächtig das klang. Wie ausgedacht und einstudiert.
»Wen haben Sie gesehen?«
»Den Mann, den es Ihrer Ansicht nach nicht gibt: Robert Parminski.«
Julia sah, dass die Männer ihr kein Wort glaubten.
»Was passierte dann?«, fragte Stahnke betont neutral.
Julia berichtete, wie sie die Treppe heruntergekommen war und dann auf dem Weg zu ihrem Tisch gesehen hatte, dass an ihrem Platz eine unbekannte Frau in ein Gespräch mit Ferland vertieft war. »Sie sah mir auf gewisse Weise ähnlich, nur dass ihr Kleid schwarz war, nicht dunkelrot wie meines«, sagte Julia in der Gewissheit, dass auch diese Frau jetzt tot sein musste.
»Schwarz und Rot verwechselt man wohl nicht«, erwiderte Klingbeil.
»Es sei denn, man hat eine Rot-Grün-Blindheit«, wandte Stahnke ein. »Das kommt häufiger vor, als man denkt; und viele Männer wissen nicht mal, dass sie eine Farbschwäche haben. War Ihr Kleid dunkelrot?«
»Ja, ein Burgunderton«, antwortete Julia verwirrt.
»Über die Brücke mit dem Farbenblinden gehe ich noch nicht.« Klingbeil fixierte sie mit kalten Augen.
»Warum rede ich überhaupt mit Ihnen?«, fuhr sie den Mann
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