Dornteufel: Thriller (German Edition)
gesagt. Aber Urlaub war das Letzte, an das sie jetzt denken konnte. Sie wühlte in ihren Sachen und zog Ferlands Spickzettel hervor: Rebecca Sterns Telefonnummer. Was hatte sie zu verlieren?
Nach endlos scheinenden Sekunden meldete sich eine Frau auf Französisch. Den Hintergrundgeräuschen nach zu urteilen schien sie sich auf einem Bahnhof oder in einem Schnellrestaurant zu befinden. Julia erklärte ihr auf Englisch, wer sie sei und woher sie die Nummer habe. Es folgte ein kurzes Schweigen, und Rebecca schien sich ein Stück aus dem Trubel zu entfernen, denn die Hintergrundgeräusche waren anschließend nur noch gedämpft zu vernehmen. Julia erzählte ihr dann, wie Ferland ums Leben gekommen war.
Rebecca Stern schien erschrocken zu sein, aber nicht wirklich überrascht. Dann stellte sie Julia ein paar Fragen, wie um die Richtigkeit ihrer Angaben zu überprüfen. Auch nach Renard und wie er gestorben war. Der Tod des Journalisten schien ihr nahezugehen, denn sie atmete mit einem Mal schwer. Schließlich teilte sie Julia mit: »Ich bin auf dem Weg in eine Klinik in St. Bassiès. Das liegt in den Pyrenäen.«
»Können wir uns nicht vorher noch persönlich sprechen? Ich habe das Gefühl, dass wir uns alle Informationen, die wir besitzen, gegenseitig mitteilen müssen – auch die scheinbar unwichtigsten Einzelheiten. Vielleicht können wir dann ja verstehen, was vor sich geht.«
»Das geht nicht, denn mir bleibt nicht mehr viel Zeit«, antwortete Rebecca Stern.
»Zeit wofür?«
»Ich leide unter einer sehr schweren Hautkrankheit, die rasch fortschreitet, und kein Arzt hier in Paris kann mir helfen. Die wissen noch nicht einmal, was für eine Krankheit das ist. Wenn Sie also mit mir reden wollen, müssen Sie nach St. Bassiès kommen. Es ist die einzige Möglichkeit.«
»Aber ich kann doch nicht …«
Rebecca Stern brach das Gespräch mitten in Julias Satz ab und war danach auch nicht mehr zu erreichen. Sie hatte ihr Telefon abgeschaltet.
St. Bassiès? Julia nahm ihren Laptop, tippte den Namen in verschiedene Suchmaschinen ein und fand heraus, dass es keinen Ort namens St. Bassiès gab. Wohl aber den Pic Rouge des Bassiès, einen 2676 Meter hohen Berg in den französischen Pyrenäen. Nacheinander probierte sie den Namen des Berges und von Orten in seiner Nähe in Verbindung mit verschiedenen Stichworten aus, bis schließlich der Name Almond zu einem Ergebnis führte. Catherine Almond, Vorstandsvorsitzende von Serail Almond, saß auch im Vorstand einer Privatklinik: Château de St. Bassiès. Die Meldung bestand nur aus einer Zeitungsnotiz über eine Feier anlässlich der Erweiterung und Modernisierung der Klinik, was sicherlich eine nennenswerte Finanzspritze vorausgesetzt hatte. Dann fand Julia die Homepage der Privatklinik selbst, deren Beschreibung sich vordergründig mehr wie die einer luxuriösen Schönheitsfarm las. Die Klinik war in einem schlossähnlichen Gebäude untergebracht, das sich in Alleinlage an einem Berghang befand. Bei Betrachtung der Fotogalerie stieß sie auf lächelnde, faltenfreie Gesichter von Frauen, die gerade bei einer Rückenmassage oder in einem Whirlpool entspannten. Es sah nicht so aus, als ob der Schwerpunkt der Klinik auf der Behandlung gravierender Hautkrankheiten lag, an deren Diagnose und Heilung die klassische Medizin gescheitert war. Die Fotos vom Schwimmbad, von der Sonnenterrasse und dem Panoramablick erweckten eher den Eindruck, dass Lidstraffungen, Silikonimplantate und Fettabsaugungen dort das Höchste der medizinischen Kunstfertigkeiten darstellten. Aber stimmte das auch? Wenn Rebecca Stern wegen einer Hautkrankheit in diese Privatklinik gefahren war und Ferland diese Information möglicherweise an sie hatte weitergeben wollen, sollte sie sich vielleicht besser auf den Weg dorthin begeben.
Sie massierte sich die Schläfen und ging in das muffige Bad, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu schaufeln … Es nützte nichts. Die Kur gegen den Kater hatte zwar weitestgehend die Übelkeit beseitigt, aber gegen die Kopfschmerzen konnte sie wenig ausrichten. Unten neben der Rezeption stand ein Kaffeeautomat. Sie ging hinunter, um sich zwei Espresso zu besorgen, was für gewöhnlich ihre Gehirnaktivität anregte, und setzte ihre Recherchen fort. Als der Kaffee ausgetrunken war, fasste Julia einen Entschluss: Sie wollte nach St. Bassiès fahren und mit Rebecca Stern persönlich sprechen. Ferland hätte es so gewollt. Und nach den Ereignissen der letzten Nacht zum Tagesgeschäft
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