Dornteufel: Thriller (German Edition)
paar Tagen. Hinter ihm befand sich kein erleuchteter Gang in den Wellnessbereich, gefliest und mit Grünpflanzen dekoriert, wie sie es erwartet hatte, sondern ein Korridor mit grauen, massiv aussehenden Steinwänden und flackerndem Neonlicht.
Nachdem Julia den ersten Schreck überwunden hatte, wurde ihr bewusst, dass sie in großer Gefahr war. Rasch schlug sie mit der flachen Hand auf den Knopf, der die Türen schloss, und dann auf die Taste fürs Erdgeschoss. Doch sie war nicht schnell genug. Stefan sprang in den Eingang des Fahrstuhls, seine Hand krallte sich in ihren Nacken, und er zog sie mit sich aus der Kabine.
»Ich finde, diese Unannehmlichkeiten hättest du uns beiden ersparen können«, sagte er leicht außer Atem.
Zum zweiten Mal in ihrem Leben richtete jemand eine Waffe auf sie. Nur dass dieses Mal kein Frühstückstablett in der Nähe war, das sie ihrem Gegner hätte entgegenschleudern können. Julia hätte ihm gern alles Mögliche entgegengeworfen, unter anderem auch ein paar erboste Worte: Denn so, wie sich ihr die Dinge gerade darstellten, musste er zumindest eine Mitschuld an Sonjas Tod haben. Und an noch ein paar Morden mehr. Nur, wofür das Ganze?
Er bugsierte sie in einen Kellerraum, der aussah, als wäre er mal das Refugium eines Hausmeisters gewesen. Das musste allerdings schon mindestens fünfzig Jahre zurückliegen, nach den Gerätschaften und der dicken Staubschicht auf ihnen zu urteilen.
»Setz dich!«, befahl Stefan. Er lehnte sich ihr gegenüber an die Werkbank und hielt die Pistole weiter auf sie gerichtet.
»Hast du so eine große Angst vor mir?«, fragte sie. »Was soll das? In was zum Teufel bist du hier bloß hineingeraten?«
»Halt die Klappe.« Er sah auf seine Uhr, dann zur Tür.
»Allein bist du nichts, oder? Auf wen warten wir? Auf den, der dir sagt, was du zu tun hast?«
Er betrachtete sie ruhig, ließ sich nicht provozieren.
Julia überlegte fieberhaft, wie sie sich befreien konnte. Ein wütender Stefan wäre ihr lieber gewesen. Jetzt, wo es Sonja nicht mehr gab, verband sie nichts mehr miteinander. In seinen Augen lag eine kalte Grausamkeit. Wieso hatte sie das nicht schon früher gesehen?
Die Tür flog auf, und zwei Personen, eine zierliche Frau Mitte vierzig und ein Mann Ende fünfzig, traten ein. Seine Augen wanderten ziellos im Raum umher, ohne Julia anzuschauen. Die Frau hingegen betrachtete sie abschätzig von Kopf bis Fuß.
»Darf ich vorstellen, Catherine«, sagte Stefan auf Englisch. »Das ist Julia Bruck.«
»Und von der haben sich unsere Leute an der Nase herumführen lassen?«, rief sie. Ihr Akzent verriet, dass sie Amerikanerin war, auch wenn sie eher wie eine Französin aussah. »Die verspeise ich doch mit Marmelade zum Frühstück.«
So, wie sie von ihr angeschaut wurde, glaubte Julia ihr das aufs Wort.
Die Frau nahm Stefan die Waffe ab und befahl ihm, Julia festzubinden. In einer Kiste fand er ein Elektrokabel und fesselte damit ihre Hände. Dann drückte er Julia auf einen alten Stuhl, an dessen Beine er mit anderen Kabeln ihre Füße festband. Zum Schluss fesselte er ihren Oberkörper an die Stuhllehne. Sie roch seinen Schweiß – beißend, offenbar vom Stress und von der Erregung. Er vermied es, ihr ins Gesicht zu sehen.
Die Frau, die er Catherine genannt hatte, sah ihm dabei zu, ohne mit der Wimper zu zucken. »Also, Julia Bruck«, sagte sie. »Du bist die Ingenieurin von ICL Thermocontrol, die für uns in Bihar arbeiten sollte, nicht wahr? Und seitdem machst du uns nichts als Ärger.« Fehlte noch, dass sie »Tz, tz« machte. Sie legte die Pistole hinter sich auf die Bank, wohl, weil sie für ihre schmächtige Hand zu schwer wurde. Stefan nahm die Waffe sofort wieder an sich. Offensichtlich traute er seinen eigenen Fesselungskünsten nicht.
»Erzähl uns einfach von Anfang an, was du herausgefunden und mit wem du alles gesprochen hast. Lass niemanden aus. Dann ersparst du uns und dir, dass wir dir wehtun müssen.«
Julia sah, dass Stefan bei ihren Worten entschlossen die Lippen zusammenpresste, während der andere Mann sich verstohlen Schweißperlen von der Stirn wischte. Es war nicht besonders warm in dem Kellerraum, aber auch Julia fühlte, dass sie schwitzte. Mit einer so entsetzlichen Entwicklung, einer so rasanten Zuspitzung der Lage hatte sie nicht gerechnet. Ihr war nicht bewusst gewesen, in was für eine Gefahr sie sich begeben würde. Himmel, sie hatte doch glauben müssen, in ein Krankenhaus zu fahren, wo sich ganz normale
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