Dornteufel: Thriller (German Edition)
erzählte ihnen, was sie bei Serail Almond tat und woher sie kam.
»Wenn wir hier schwitzen, ist das also Ihre Schuld«, erklärte ein korpulenter Mittvierziger, der neben ihr saß, und wischte sich mit einer Papierserviette über die Stirn. »Und wenn wir frieren, auch.«
»Genau. Aber das trifft nur in den geschlossenen Räumen zu«, entgegnete Julia.
»Ich finde ja, sie sollten endlich ein Glasdach über das ganze Gelände bauen«, warf eine Frau ein, die Julia schräg gegenübersaß. »Dann wären wir vielleicht auch die lästigen Moskitos los.« Sie blickte nach Beifall heischend in die Runde.
»O Gott, ich fühle mich hier sowieso schon wie im Aquarium«, sagte Parminski halblaut in Julias Richtung.
»Aber es wäre bestimmt noch sicherer«, bemerkte Julia trocken.
»Haben Sie eigentlich schon was von Indien gesehen seit Ihrer Ankunft?«, fragte er sie mit einem hinterhältigen Lächeln.
Ihr war klar, dass er über die begrenzten Möglichkeiten, das Gelände von Serail Almond zu verlassen, sicher bestens im Bilde war. Vielleicht wusste er sogar, dass sie gerade eben den Wunsch geäußert hatte, mal rauszukommen. Unsinn, nicht einmal er würde wohl so plump lauschen.
»Bisher noch nicht. Man hat mich an das Holiday-Center mit seinem Ausflugsprogramm verwiesen«, antwortete sie mit einem Hauch Sarkasmus.
»Das Holiday-Center … Das wird bestimmt nett«, stichelte er. »So ein klimatisierter Reisebus hat alles, was man sich nur wünschen kann.«
»Alternativ könnte ich mir auch einen Reisebericht über Indien im hauseigenen Kino anschauen.«
»Ich wusste, Sie sind insgeheim doch eher eine Sicherheitskandidatin«, erklärte Parminski. »Trotz Ihres Protests.«
»Und Sie rauben mir den letzten Nerv.«
»Vielleicht täusche ich mich ja auch? Haben Sie am Samstag Zeit?« Seine Frage klang beiläufig.
Julia wollte an diesem Tag noch ein paar Stunden arbeiten und hatte sich für den Abend tatsächlich einen Film im Kino ausgesucht. Nichts, auf das sie nicht ohne Weiteres verzichten konnte. »Wofür denn?«
»Ich habe eine Einladung zu einer indischen Hochzeit in Patna. Wenn Sie Lust haben – begleiten Sie mich einfach.«
»Einfach?« Julia zog die Augenbrauen hoch. Wie kam er dazu, sie einzuladen? Sie war allerdings noch nie auf einer indischen Hochzeit gewesen. Außerdem würde sie mal wieder etwas anderes sehen als das ummauerte Areal von Serail Almond, wenn sie mit ihm ginge.
»Es macht sich besser, wenn ich in Begleitung einer Dame erscheine.« Er verzog keine Miene.
»Ich verstehe und fühle mich geschmeichelt.« Julia musterte ihn. Einen Moment meinte sie, so was wie Humor in seinen Augen aufblitzen zu sehen, aber es konnte genauso gut eine Reflexion auf seinen Brillengläsern gewesen sein.
»Und ich dachte schon, Ihre neuen Kollegen hätten Ihnen Angst vor Indien gemacht«, spottete er.
4. Kapitel
B IHAR , I NDIEN
Parminski hatte einen Toyota Landcruiser mit Fahrer organisiert, der sie nach Patna brachte. Sie waren gegen elf Uhr aufgebrochen, und die Fahrt würde, in Anbetracht der chaotischen Straßenverhältnisse, sicherlich mehrere Stunden dauern. Draußen brannte die Sonne auf Felder herab, auf denen Getreide, Zuckerrohr, Sesam und Reis angebaut wurde. Es war März, aber gegen Mittag würden die Temperaturen wieder die dreißig Grad überschreiten. Das Innere des Wagens war auf zweiundzwanzig Grad heruntergekühlt, sodass es Julia in dem einzigen halbwegs festlichen Kleid, das sie nach Indien mitgenommen hatte, angenehm kühl war. Sie versuchte, Parminski ein paar Informationen über das bevorstehende Fest zu entlocken, aber er antwortete meist recht einsilbig. Der Bräutigam war ein junger Mann aus Kolkata, den Parminski angeblich von einem früheren Arbeitgeber in Indien her kannte. Die Eltern seiner indischen Braut mussten wohlhabend sein, da die Feier mit über dreihundert Gästen im besten Hotel am Ort stattfinden sollte. Julia hatte den Eindruck, dass er das Hochzeitspaar längst nicht so gut kannte, wie er vorgab. Parminski starrte die meiste Zeit still aus dem Fenster, sah immer mal wieder auf die Uhr und schob seinen Unterkiefer vor und zurück. Was sollte das heute werden?
In Patna angekommen, wurden sie von einem Hotelpagen durch das Foyer in den Garten geführt. Dort tummelten sich festlich gekleidete Menschen auf der Terrasse, um den Pool herum und auf dem kurz geschnittenen Rasen. Parminski entschuldigte sich und verschwand. Während Julia auf ihn wartete, musterte sie
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