Dornteufel: Thriller (German Edition)
Verfalls begegnen kannst, ohne deinen Impfausweis zu kontrollieren.«
»Gegen die Lepra kann man sich nicht impfen, du Schlaumeier«, erwiderte Gundula hämisch.
»Ich will was von Indien sehen, wenn ich schon mal hier bin. Hier auf dem Gelände ist alles künstlich.« Julia sah in die Runde, um herauszufinden, ob sie mit ihrer Ansicht tatsächlich allein dastand.
»Das haben schon andere vor dir gesagt«, meinte Barry lakonisch.
»Ja, in der Tat sehr künstlich«, entgegnete Gundula sarkastisch. »Es gibt anständige Toiletten anstatt Löcher im Boden, und du kannst alles essen, ohne dir über den berüchtigten Dehli Belly Gedanken zu machen – oder darüber, dass dir gerade eine Ratte über die Füße gelaufen ist.« Sie lächelte spöttisch und zeigte dabei ihre schneeweiß verblendeten Zähne.
»Aber so, wie es hier aussieht, könnte das Forschungszentrum von Serail Almond auch einer der Center Parcs in Belgien oder ein Hotel-Resort in Kenia sein.«
»Und wenn schon«, erwiderte Milan, der mit einem voll beladenen Teller zurückgekehrt war. »Finde ich prima, solange ich hier gutes Geld verdiene.« Er trank noch einen Schluck; sein Gesicht war vom Wein bereits stark gerötet. Obschon er Outdoor-Kleidung trug, sah man seiner Figur an, dass er sich nur äußerst selten draußen bewegte und sehr gerne aß. »Ich muss nicht raus, um mich überfallen und ausrauben zu lassen oder mir irgendwo die Pest zu holen.«
»Indien ist nicht Disney World.« Barry sah Julia mit schmalen Augen an. »Es kann zuschnappen.«
»Ja und?« Julia stand auf, das Unverständnis ihrer Kollegen irritierte sie. »Ich hol mir noch etwas zu essen«, sagte sie. »Solange es noch was gibt.«
»Wenn du dir was von dem Hähnchen-Zeug holst, musst du unbedingt die scharfe Soße dazu nehmen«, riet Barry ihr. Er deutete mit dem Daumen hinter sich in Richtung der Soßenspender.
Julia zuckte mit den Schultern und ging zum Büfett. Dort ließ sie sich noch einmal Kebab nachfüllen und trug ihren Teller anschließend zu den großen Spenderflaschen, die für alle möglichen Geschmacksverirrungen Ketchup, Senf und eben die berüchtigte scharfe Soße enthielten. Wie so oft, hatte sich vor den Soßenspendern eine kleine Schlange gebildet. Nach ein paar Augenblicken wurde Julia bewusst, dass Robert Parminski direkt vor ihr stand. Sie hatte den Security Officer seit Tagen nicht mehr zu Gesicht bekommen; offenbar hatte er sonst andere Essenszeiten. Als er sich von der scharfen Soße nahm und dann zur Seite trat, erblickte er sie und nickte ihr kaum wahrnehmbar zu. Nahm er ihr den Protest bei ihrer Ankunft persönlich übel? Gedankenverloren drückte Julia etwas zu schwungvoll auf den Dosierhebel des Spenders, und die dunkelrote Soße schoss mit einem Zischen heraus. Erschrocken stellte sie fest, dass der Ärmel von Parminskis grauem Jackett ein paar Spritzer abbekommen hatte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er heute recht formell gekleidet war.
»Oh, Mist!«, rief sie aus. »Das tut mir leid.«
»Was?« Er sah an sich herunter. »Volltreffer, würde ich sagen.« Parminski zog die Augenbrauen zusammen.
»Das sieht übel aus. Ich bezahle Ihnen die Reinigung. Hoffentlich geht das Zeug wieder raus.«
»Unsinn. Kommt nicht infrage! Diese Soßenspender sind gemeingefährlich.« Er musterte sie leicht genervt.
»Sie könnten wenigstens so tun, als ob es Ihnen nichts ausmacht«, sagte sie mit einem ironischen Lächeln. Dass es ausgerechnet den einen Kerl getroffen hatte, der laut Gundula zum Lachen in den Keller oder – wenn man die Räumlichkeiten bei Serail Almond bedachte – in die Schleuse ging, war persönliches Pech.
Das Eis schien ein paar Risse zu bekommen. »Es macht mir natürlich gar nichts aus. Ich habe Dutzende Anzüge im Schrank.« Seine Augen hinter den Brillengläsern glitzerten. »Davon, dass Sie die Reinigung bezahlen, will ich nichts wissen. Aber Sie müssen mir zur Strafe beim Essen Gesellschaft leisten. Dann treffen mich die Häme und der Spott meiner Mitmenschen wegen dieser Flecke wenigstens nicht ganz allein.«
»Ich weiß nicht, ob meine Kollegen mich entbehren können«, erwiderte Julia.
»Die haben Sie doch jeden Tag.« Er sah sie auffordernd an.
Da ihr zum einen kein Grund einfiel, sich zu weigern, und sie zum anderen neugierig war, begleitete sie ihn zu einem Tisch nahe dem Springbrunnen. Er stellte sie ein paar Leuten vor, die Julia interessiert musterten und sich höflich nach ihrer Tätigkeit erkundigten. Sie
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