Dornteufel: Thriller (German Edition)
mehr und mehr von ihm ab. Er erzählte Anekdoten aus früheren Arbeitsverhältnissen, und so erfuhr sie ganz nebenbei, dass er schon weit in der Welt herumgekommen war und eine Menge unterschiedlicher Jobs erledigt hatte.
»Wie ist es dazu gekommen, dass Sie nun ausgerechnet als Security Officer bei Serail Almond arbeiten?«, wollte Julia irgendwann wissen. Zuerst hatte er wie die ideale Besetzung für diesen Job gewirkt, aber das Bild bekam gerade ein paar Risse.
Er zögerte kurz, trank von seinem Wein. »Die Arbeit ist angenehm, und sie zahlen anständig. Warum also nicht?«
Seine Pupillen hatten sich zusammengezogen, und seine Körperhaltung drückte wieder Wachsamkeit aus. Merkwürdig war auch, dass er mehrmals einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr warf. Julia bedauerte, dass sie ein wenig angetrunken und ihr Magen so voll war, was ihre Konzentrationsfähigkeit etwas beeinträchtigte. Sie schien gerade ein Thema berührt zu haben, das zu aufschlussreichen Erkenntnissen führen konnte, wenn man richtig nachhakte. Sie wagte einen Vorstoß. »Sie machen nicht den Eindruck, ein Mensch zu sein, der sich wahnsinnig für Sicherheit interessiert.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte er.
Julia drückte instinktiv den Rücken gerade. »War nur eine Vermutung … Bedenken Sie mal: Wir können hier jederzeit auffliegen und mit Schimpf und Schande aus dem Hotel gejagt werden.«
»Wenn es Sie beruhigt: Ich werde die volle Verantwortung dafür übernehmen.« Er lächelte wieder, aber diesmal wirkte es aufgesetzt. Dann sah er wieder unauffällig auf seine Uhr. »Sie entschuldigen mich einen Moment?« Er stand auf, beugte sich aber noch einmal zu ihr herunter und flüsterte ihr ins Ohr: »Am besten verhalten Sie sich unauffällig: indem Sie zum Beispiel zum Büfett gehen und uns etwas von dem Nachtisch sichern, so wie alle das hier machen.«
Die lockere Bemerkung passte nicht zu der Anspannung in seinem Gesicht. Er richtete sich auf und bedachte die Menschen um sie herum mit einem prüfenden Blick, bevor er sich entfernte. Julia blickte ihm hinterher und sah, wie seine breitschultrige Gestalt in der Menge verschwand. Sie sagte sich, dass es sie nichts anging, was auch immer er nun vorhatte. Schließlich war sie nur hergekommen, um mal rauszukommen und sich zu amüsieren. Wahrscheinlich machte sie sich zu viele Gedanken, und Parminski wollte nur den Wein wegbringen, den er getrunken hatte.
Sie ließ ihren Blick über die gepflegte Anlage schweifen. Die Zeit schien stillzustehen, während sie wartete. Parminski tauchte einfach nicht wieder auf, und außer ihm kannte sie hier niemanden. Genervt wurde ihr klar, dass sie Serail Almond entkommen war, nur um sich erneut in einer Kunstwelt wiederzufinden. Das Warten wurde ihr schließlich zu dumm. Sie erhob sich. Nach dem vielen Essen und Trinken würden ihr ein paar Schritte guttun.
Julia schlenderte zwischen den Tischen hindurch und um den Swimmingpool herum. Die Menschen verließen nach und nach das Areal. Hinter dem Pool befand sich üppiges, gepflegtes Grün. Sie durchquerte eine Baumgruppe und kam an einem künstlichen See vorbei, über dem ein kleiner Wasserfall plätscherte. Auf den warmen Steinen sonnten sich Geckos, die weghuschten, als sie näher kam. Sie überraschte beinahe ein knutschendes Pärchen, das sich hinter einen Oleanderbusch zurückgezogen hatte, und ging in die andere Richtung weiter. Kurz darauf erreichte sie die Grenzmauer der Anlage. Auf der Mauer erkannte sie die schlanke Gestalt eines Languren-Affen. Als sie herantrat, wandte er ihr das dunkle, kleine Gesicht mit den schwarzen Knopfaugen zu. Regungslos starrte er sie an, nur sein langer Schwanz bewegte sich hin und her. Er wusste, sie würde ihm nichts tun: Hanuman-Languren galten in Indien als heilig, daher wurden sie nie gestört oder gar belästigt. Doch wo ein Affe war, befanden sich normalerweise noch weitere in der Nähe. Julia beschloss, nach ihnen Ausschau zu halten. Die Mauer, die die Hotelanlage umgab, war etwa zwei Meter hoch, aber ein Stück weiter rechts stand eine Steinbank direkt davor. Julia ging hin und stieg hinauf. Sie musste sich recken, um hinübersehen zu können.
Hinter der Mauer gab es eine Straße, auf deren anderer Seite verfallene Hütten und nie fertiggestellte, aber bewohnte Rohbauskelette standen. Im zweiten Stock eines solchen Gebäudes döste zwischen Wäscheleinen eine weiße Ziege. Die Hütten bestanden aus Brettern, Plastikfolien und Wellblech, die sich
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