Dornteufel: Thriller (German Edition)
knackende Geräusche in seinen Ohren. War das Navid, der sich bewegte? Solange er sich noch rührte, war es ja gut. Dann lebte er noch. Wenn er nur nicht wieder zu stöhnen und zu rufen anfing.
Er wollte sich nicht vorstellen, was alles passieren konnte, sollte man sie entdecken. Viele Kapitäne gingen nicht gerade zimperlich mit blinden Passagieren um, die bei ihnen an Bord gefunden wurden. Auch auf hoher See schien durchaus noch hin und wieder das Gesetz des Stärkeren zu gelten. Es gab Geschichten von Flüchtlingen, die ausgesetzt worden waren. Manchmal in kleinen Beibooten oder auf einer Rettungsinsel – oder man hatte sie einfach über Bord geworfen. Alles, nur das nicht! Er konnte den Durst noch eine Weile aushalten. Er musste zählen, wie oft es hell und wieder dunkel wurde, damit er in etwa einschätzen konnte, wie viele Tage sie schon unterwegs waren. Wichtig war, dass er irgendwie bei Kräften blieb. Er hatte noch einen Kanten Brot in seinem Rucksack, aber er bezweifelte, dass er ihn ohne Spucke runterkriegen würde. Am schnellsten verging die Zeit, wenn er schlief. Draußen schien es wieder dunkel zu sein. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf seinen Atem. Doch er konnte nur an eines denken: Wasser.
M ANHATTAN , N EW Y ORK , USA
Der Einbruch in die Wohnung ihrer Schwester machte alles noch schlimmer. Eine unwillkommene Komplikation, die das Auflösen der Wohnung verzögern würde. Sie war so geschockt, dass sie ein paar Minuten lang nur regungslos dastand. Sie musste wohl oder übel diesen Polizisten, Ferland, davon unterrichten. Rebecca holte ihr Handy heraus, suchte kurz nach seiner abgespeicherten Nummer und rief ihn an.
»Miss Stern? Wie komme ich zu der Ehre?« Ferlands raue Stimme klang so laut an ihrem Ohr, dass sie meinte, er würde neben ihr stehen. Irgendwie fand sie es beruhigend, seinen ironischen Tonfall zu hören.
»Ich bin gerade in der Wohnung meiner Schwester. Hier … Ich glaube, es ist eingebrochen worden. Zumindest ist alles durchwühlt.«
»Gibt es Einbruchsspuren, die auf ein gewaltsames Eindringen schließen lassen?«
»Nein, keine Ahnung. Das weiß ich doch nicht!«, fuhr sie ihn an. Sie war selbst überrascht von ihrer kaum noch zu kontrollierenden Nervosität.
»Okay. Können Sie vor Ort auf mich warten?«
»Bleibt mir wohl nichts anderes übrig.«
»Und rühren Sie nichts an!«
»Zu Befehl, Officer.« Sie unterbrach die Verbindung, wütend darüber, dass er diesen Ton ihr gegenüber einschlug. Trotzdem war sie erleichtert, dass er sich des Problems annahm.
Es war bedrückend, allein in Moiras Wohnung zu sein. Wie einsam sie sich hier fühlte. Ein einziges Bild hing über dem Bett: ein Poster, das Moira als Fee in einem pinkfarbenen Hemdchen zusammen mit einer überdimensionalen Flasche rosa Limonade zeigte. Rebecca schluckte. Sie hatte Durst, wollte etwas trinken, irgendwo in Gesellschaft. Doch in der Nähe der Wohnung hatte sie nichts gesehen, was dafür infrage kam. Und außerdem hatte sie zugesagt, hier zu warten. Sie sah auf die Uhr. Eine Viertelstunde brauchte Ferland bestimmt. Draußen heulte wieder ein Autoalarm los.
Ferland erschien schließlich zusammen mit zwei Beamten von der Spurensicherung und einem jungen Officer. Er sah sich kurz um, fluchte vor sich hin und schob Rebecca aus der Wohnung. »Schöne Scheiße«, murmelte er. »Diese Aasgeier! Die müssen Wind davon bekommen haben, dass Ihre Schwester tot ist. Wissen Sie, ob sie Wertsachen besessen hat?«
»Sieht es für Sie hier nach Wertsachen aus?«, fuhr Rebecca ihn an. »Sie … Wie sie gehaust hat! Ich hatte ja keine Ahnung.«
Er sah sie mitleidlos an, während sie mit zitternder Hand ein Taschentuch hervorzog und sich die Nase schnäuzte.
»Glauben Sie, dass die Einbrecher wussten, dass sie tot ist, und daraufhin in die Wohnung eingebrochen sind?«, rief sie empört. »Das ist ja pervers.«
»Ich sag doch: Aasgeier. Was mich wundert, ist, dass die Tür unversehrt ist. War sie abgeschlossen oder nur zugezogen?« Er betrachtete die Wohnungstür noch mal von außen.
Rebecca runzelte die Stirn. »Nur zugezogen, glaube ich. Ich war nervös und habe nicht darauf geachtet.«
»Vielleicht haben die ein Pick-Set benutzt«, murmelte Ferland. »Oder es waren Bekannte Ihrer Schwester. Wissen Sie, wer alles einen Schlüssel zu dieser Wohnung hatte? Freund, Freundin, Nachbarn …« Er sah sie erwartungsvoll an.
»Keine Ahnung. Ich hatte nicht so eine enge Beziehung zu ihr.«
»Möchten Sie
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